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Afghanistan-Einsatz: Soldaten außer Lebensgefahr

Zwei bei dem Selbstmordanschlag schwer verletzte deutsche Soldaten sind außer Lebensgefahr. Unterdessen wird die Strategie des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan heftig kritisiert.

Berlin - Die zwei bei dem Selbstmordanschlag in Afghanistan schwer verletzten deutschen Soldaten sind außer Lebensgefahr. "Die Soldaten sind stabil und der Zustand ist nicht lebensbedrohlich", sagte der Presseoffizier des Bundeswehrzentralkrankenhauses in Koblenz, Bernhard Dostert. Sie müssten aber noch längere Zeit in dem Krankenhaus behandelt werden. Zu den Verletzungen und dazu, ob die Soldaten in ein künstliches Koma versetzt wurden, wollte der Presseoffizier keine Angaben machen.

Zwei bei dem Anschlag leicht verletzte deutsche Soldaten hatten am Morgen das Bundeswehrzentralkrankenhaus bereits wieder verlassen. Die Verletzten waren in der Nacht zum Montag ins größte Militärhospital der Bundeswehr nach Koblenz gebracht worden.

Unterdessen bereitet sich das Bundeskriminalamt (BKA) auf die Suche nach den Hintermännern des Selbstmordattentats vor. BKA-Präsident Jörg Ziercke sagte im Nachrichtensender N24: "Wir sind im Moment dabei, ein Team zusammenstellen, konkret zu klären, was wir gemeinsam mit der Bundeswehr vor Ort an Ermittlungsmaßnahmen durchführen können."

Kritik von Lafontaine

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, hatte am Sonntagabend in der ARD gesagt, die Bundeswehr sei in Afghanistan über den Tornado-Einsatz mittelbar "in terroristische Aktivitäten verwickelt". Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wies die Vorwürfe als "absurd" zurück.

Jung unterstrich, dass an dem Einsatz festgehalten werde. "Wir dürfen uns durch derartige perfide Morde nicht von unserem Ziel abbringen lassen, Afghanistan zu stabilisieren und zu einer friedlichen Entwicklung zu kommen", sagte Jung im Deutschlandfunk. Ein plötzlicher Rückzug würde laut Jung einen Rückschritt in der Terrorbekämpfung bedeuten und "auch unsere Sicherheit gefährden".

Der SPD-Abgeordnete Ottmar Schreiner sagte der "Bild-Zeitung": "Meine Zweifel am Sinn der Mission sind eher gewachsen. Ich sehe keine tragfähige Zukunftsperspektive im zivilen Bereich, wodurch weitere militärische Interventionen gerechtfertigt werden können. Der gesamte Auftrag muss dringend auf den Prüfstand."

Bütikofer: Gesamtstrategie ändern

"Wir sind seit längerer Zeit der Meinung, dass wir die Gesamtstrategie ändern müssen", sagt Grünen-Chef Reinhard Bütikofer dem Sender n-tv. "Der Akzent muss wesentlich stärker auf den zivilen Aufbau gelegt werden." Auch müsse über die Art und Weise des militärischen Vorgehens nachgedacht werden.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold verteidigte zwar den Einsatz. Mit Blick auf die Entscheidung über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats im Herbst forderte er in der "Frankfurter Rundschau" aber "eine breite Debatte über die deutsche Verantwortung in der Welt".

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, in der "Mitteldeutschen Zeitung". "Man muss die Sinnfrage nach dem Einsatz in Afghanistan noch deutlicher stellen - so deutlich, dass sie nicht mehr überhört wird. Wenn es nicht eine radikale Änderung der Gesamtstrategie gibt, dann laufen wir Gefahr, in Afghanistan zu scheitern."

Steimmeier: Kein Rückzug

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einer Debatte über ein Ende des Einsatzes, wie es die Linkspartei und die WASG verlangt hatten. "Es darf keinen aktuellen Rückzug geben", sagte er am Sonntagabend in der ARD. Auch der SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow sagte in der "Berliner Zeitung": "Die Bundeswehr muss auch aus deutschem Interesse am Hindukusch bleiben." Wenn die Taliban wieder die Macht in Afghanistan übernähmen, gäbe es dort auch wieder Ausbildungslager für Terroristen. "Damit würde auch die Terrorgefahr in Deutschland steigen."

Auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), warnte vor "populistischen Forderungen" nach einem Rückzug. Er berichtete zudem von einer Zunahme von Störungen infolge der psychischen Belastung bei den eingesetzten Soldaten. In der "Thüringer Allgemeinen" regte er "die Einrichtung eines Zentrums für derartige Störungen" an.

Trauergottesdienst am Mittwoch

Der Anschlag vom Samstag war der schwerste auf die Bundeswehr in Afghanistan seit 2003. Dennoch ließ die Bundesregierung keinen Zweifel am Einsatz aufkommen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Vertreter aller Parteien mit Ausnahme der Linken sprachen sich für eine Fortsetzung aus. In der ARD verwies Jung auf die Erfolge: So könnten auch dank des Einsatzes sechs Millionen Kinder, darunter 40 Prozent Mädchen, wieder in die Schule gehen.

Ein Selbstmordattentäter hatte am Samstag in Kundus drei deutsche Soldaten und fünf afghanische Zivilisten mit in den Tod gerissen. Fünf Soldaten wurden verletzt. Die radikal-islamischen Taliban bekannten sich zu dem Selbstmordanschlag. Vier der fünf verletzten Soldaten wurden mit einem Lazarett-Flugzeug nach Deutschland ausgeflogen. Sie landeten am Sonntagabend in Köln-Bonn und wurden von dort ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz gebracht. Drei von ihnen waren erheblich verletzt, weil der Selbstmordattentäter seine Bombe mit Nägeln gefüllt hatte. Nach der Überführung der Leichen nach Deutschland ist Jung zufolge am Mittwoch auch ein Trauergottesdienst geplant. (tso/dpa)

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