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Innenminister Seehofer hatte gerade erst Ärger mit dem Bundesverfassungsgericht: Er muss darauf achten, was er amtlich veröffentlicht.

© Markus Schreiber / AFP

Some Innenminister are berufsunfähig: Seehofer sollte man verklagen, nicht die „taz“-Kolumnistin

Seehofers Angriff auf die Pressefreiheit ist nicht die Anzeige, sondern die Vorverurteilung einer Journalistin. Wer ihn stoppen will, sollte auf Unterlassung klagen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

In der „tageszeitung“ ist ein Beitrag erschienen, der unter dem Titel „All cops are berufsunfähig“ Polizisten verächtlich macht. Er untersucht mögliche Berufsalternativen, falls die Polizei aufgelöst würde, wie es teilweise nach rassistischen Übergriffen in den USA gefordert wird. 

Seine Pointe gewinnt der Text, indem er die Beamten wegen angeblicher „Fascho“-Gesinnung in allen Jobs pauschal für ungeeignet erklärt. Sogar als Müllentsorger wären sie zu gefährlich, weshalb sie selbst auf die Halde gehörten; unter ihresgleichen, „wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind“.

Es wäre ein Fehler, den Beitrag ernst zu nehmen. Niemand denkt daran, die Polizei aufzulösen. Der Text spielt mit Klischees. Dazu gehört beispielsweise das unter extremeren Linken gepflegte Klischee, sämtliche Polizisten seien Nazis und Gewalttäter, wie es im Slogan „All cops are bastards“ und dessen vielfältig verwendetem Akronym „a.c.a.b.“ seinen Ausdruck findet. 

Möglicherweise macht der Text damit nicht nur Polizisten verächtlich, sondern ist zugleich ein satirischer Text über die Primitivität der linken Szene, wie diese ihrerseits Polizisten verächtlich macht. Dafür spräche etwa die Überschrift. So etwas kommt vor in der „taz“.

Natürlich muss ein solcher Text straflos bleiben

Möglicherweise. Möglicherweise ist auch nur die Provokation gelungen, der Text als solcher jedoch nicht. Das mag jeder selbst beurteilen. Sicher aber ist, dass es in einem freien Land straflos sein muss, solche Schriften zu publizieren. 

Eine Beleidigung scheidet aus, weil Polizisten pauschal als Müll zu bezeichnen ebenso zulässig ist, wie alle Soldaten Mörder zu nennen. Volksverhetzung? Für eine solche Anklage bedürfte es größerer Fantasie als jene, die die Autorin für ihr Werk aufgebracht hat.

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Es liegt mithin kein Angriff auf die Pressefreiheit vor. Strafanzeige zu erstatten, wie es Innenminister Horst Seehofer zunächst angekündigt hatte, wäre einfach nur aussichtslos. Seehofers Angriff auf die Pressefreiheit ist ein anderer: Er benutzt das Empörungsmedium „Bild“, um die „taz“ und ihre Kolumnistin zu skandalisieren und öffentlich als Rechtsbrecher darzustellen. 

Das kann man noch als Privatmeinung abtun. Irritierend wird es dann mit der amtlichen Erklärung des Innenministeriums, die den haltlosen Tatverdacht bekräftigt. Oft fällt darin das Wort „ich“. Seehofer rügt die „menschenverachtende Wortwahl“ und dekretiert „Genug ist genug!“.

Was befugt den Minister, Pressemitteilungen gegen die Presse zu veröffentlichen?

Was befugt den Minister, Pressemitteilungen gegen die Presse zu veröffentlichen? Hätte Seehofer namens der Bundespolizei, für die allein er zuständig ist, eine Anzeige erstattet, hätte dies vielleicht eine – zurückhaltende - Mitteilung gerechtfertigt. 

So aber wird die Autorität des Amtes dafür eingesetzt, die Verfasserin vorzuverurteilen („Schließlich bin ich der Auffassung, dass mit der Kolumne (…) auch Straftatbestände erfüllt werden.“)

Gerade erst hat Seehofer Ärger vom Bundesverfassungsgericht bekommen, weil er seinen amtlichen Internetauftritt zulasten einer Oppositionspartei missbraucht hat. 

Nun verzweckt er seine Pressestelle für seine persönliche, subjektive Pressekritik und die Vorverurteilung einer Frau, gegen die bisher nicht einmal ein Ermittlungsverfahren läuft. Seehofer macht, was er will, und er hat nichts gelernt. Wer ihn stoppen will, muss klagen. Zum Beispiel auf Unterlassung. Die Presse hat viel Freiheit. Ein Innenminister nicht. 

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