
© Kay Nietfeld/dpa
„Sonst gibt es keine Koalition“: Jetzt pocht die Union auf SPD-Zugeständnisse
Der erste Aufschlag trug mit der vereinbarten Schuldenaufnahme im großen Stil die Handschrift der SPD. Nun fordern viele in der CDU von Parteichef Merz Korrekturen und eigene Verhandlungserfolge.
Stand:
Friedrich Merz sollte erst am Abend nach seiner Rückkehr aus Brüssel wieder zu den Verhandlungsteams stoßen, die am Donnerstag die Sondierungen von Union und SPD fortsetzten. Verabredet ist man auch für diesen Freitag. Und ginge es nach Merz, gäbe es schon am Wochenende eine Einigung, auf deren Basis die Parteigremien am Montag offizielle Koalitionsverhandlungen beschließen würden.
So weit aber ist es noch lange nicht – was nicht zuletzt mit der großen Unruhe in der Union zu tun hat. Viele in der Fraktion wie der Partei sind frustriert, dass sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, was die weitgehende Reform der Schuldenbremse betrifft. Entsprechend groß sind nun die Erwartungen zum weiteren Verhandlungsverlauf. Der interne Druck auf Merz steigt.
Die Unionsleute erwachen aus der Schockstarre
Zwei Tage nach dem finanzpolitischen Unionsschock, als der eigene Kanzlerkandidat weitgehend auf die SPD-Linie einschwenkte, wonach die anstehenden Mammutaufgaben nur mit Multimilliardenschulden zu bewältigen sind, fordern mehrere Christdemokraten Kurskorrekturen und eigene CDU-Erfolge.
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„Wir sind der SPD in den bisherigen Verhandlungen weit entgegengekommen“, sagt der niedersächsische Abgeordnete Tilman Kuban, einst Vorsitzender der Jungen Union, dem Tagesspiegel: „Jetzt muss die SPD zeigen, dass sie den Wählerwillen respektiert und notwendigen Veränderungen bei der Migration, Bürgergeld, Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung zustimmt.“
Ähnlich äußerte sich Baden-Württembergs CDU-Landeschef Manuel Hagel in einem Statement zum Stand der Gespräche. Für ihn sei klar, dass die Schulden im großen Stil „nur mit parallel erzielten Einsparungen“ etwa beim Bürgergeld und einem „grundlegenden, echten Politikwechsel“ einhergehen könnten.
Bisher hat die Union der SPD ohne Gegenleistung alles gegeben, was sie wollte.
Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU)
Einer seiner Vorgänger, der frühere Ministerpräsident Günther Oettinger mit nach wie vor guten Drähten in seine Partei, bewertet die schwierige Lage so: „Bisher hat die Union der SPD ohne Gegenleistung alles gegeben, was sie wollte. Nun kommt es darauf an, in den nächsten Tagen ein Gesamtpaket zu verhandeln, das auch CDU und CSU mit Überzeugung vertreten können.“
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Wie die meisten in der Union zeigt auch der ehemalige EU-Kommissar, in der Föderalismuskommission der Nullerjahre einer der Väter der Schuldenbremse, Verständnis für den Kurswechsel in angespannten Donald-Trump-Zeiten: „Es ist gut, dass Deutschland mit Friedrich Merz bei der Verteidigung Europas vorangeht.“
Gefahr für den Euro?
Was dann folgt, hat es freilich in sich: „Wir dürfen dabei aber nicht die finanzielle Stabilität aufs Spiel setzen, bei der uns in der EU eine ebenso wichtige Rolle zukommt.“ Die Union müsse deshalb „auf einem Tilgungsplan für die neuen Milliardenschulden bestehen“. Zudem sollte die jährliche Kreditaufnahme seiner Ansicht nach „zwingend an die Bonität geknüpft werden – sollte Deutschland sein ,AAA‘ bei den Ratingagenturen verlieren, droht eine neue Eurokrise“.
Bei den CDU-Fachpolitikern außerhalb des engsten Kreises um Merz ist am Donnerstag ein erster konkreter Textvorschlag angekommen, den sie gerne noch überarbeiten würden, bevor das Gesetz für die Grundgesetzänderungen nächste und übernächste Woche im Bundestag beraten und beschlossen werden soll. Sie möchten insbesondere beim Sondervermögen Infrastruktur dafür sorgen, dass der Ausgabenwillkür nicht Tür und Tor geöffnet wird.
Die Sozialdemokraten werden nicht mit 16 Prozent der Stimmen den Kurs der Koalition bestimmen – denn sonst gibt es keine.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban
Solche Korrekturen und vor allem eigene Verhandlungserfolge im wirtschaftlichen wie sozialen Bereich sind dabei längst nicht mehr nur bloße Floskeln. Ohne substanzielle Zugeständnisse der SPD sehen mehrere Christdemokraten inzwischen eine Zusammenarbeit als illusorisch an.
„Die Sozialdemokraten werden nicht mit 16 Prozent der Stimmen den Kurs der Koalition bestimmen – denn sonst gibt es keine“, stellt Kuban fest. Der zweitgrößte CDU-Landesverband positioniert sich in dieser Frage ebenfalls klar. „Ohne echten Politikwechsel bei Migration, Wirtschaft und Staatsmodernisierung gibt es keinen Automatismus für eine Koalition mit der SPD“, so der Baden-Württemberger Manuel Hagel. Ein Ja zum Sondervermögen dürfe es nur geben, wenn die potenzielle Partnerin „diesen Weg mit uns gemeinsam bereit ist zu gehen“.
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