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Soldaten der Bundeswehr sind auf einem Appellplatz angetreten.

© obs/Sina Schuldt

„Sorge vieler vor neuem Zwangsdienst“: Zahl der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung weiter gestiegen

Mehr als 1.300 Menschen haben bis Juni den Dienst in der Bundeswehr verweigert. Die Deutsche Friedensgesellschaft sieht ein „Zeichen gegen die Reaktivierung der Wehrpflicht“.

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Angesicht der gestiegenen Bedrohung durch Russland sind die Streitkräfte der westlichen Staaten wieder mehr in den Fokus gerückt. Auch die Bundeswehr soll gestärkt werden. Das gilt für Ausrüstung, wie auch für das Personal. Allerdings herrscht bei der Truppe seit längerem Personalmangel. Es ist umstritten, wie die angestrebte Zahl von Soldatinnen und Soldaten erreicht werden kann.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat einen Gesetzentwurf für einen neuen Wehrdienst vorgelegt, der auf Freiwilligkeit und einen attraktiven Dienst setzt, um mehr junge Leute für die Bundeswehr zu gewinnen. Aus der Union kommen allerdings Forderungen nach Reaktivierung der Wehrpflicht.

Bundeswehr fehlt Personal

Nun ist die Zahl der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung bei der zuständigen Behörde einem Bericht des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND) vom Freitag zufolge erneut gestiegen. Eine Sprecherin des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sagte demnach, bis zum Stichtag 30. Juni 2025 seien in diesem Jahr 1.363 Anträge zur Anerkennung auf Kriegsdienstverweigerung in ihrem Amt eingegangen.

Würde man die Zahl des ersten Halbjahres 2025 auf das Gesamtjahr hochrechnen, läge sie bei 2.726. Im gesamten Jahr 2022 seien 951 Anträge bei dem in Köln ansässigen Bundesamt eingegangen, 2023 seien es 1.079 gewesen und im vergangenen Jahr 2.241.

Aktive Soldaten können Anträge ebenso stellen wie Reservisten und Ungediente. Zuletzt lag die Gruppe der Reservisten unter den Antragstellern jeweils vorn.

Der Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft, Michael Schulze von Glaßer, sagte dem RND: „Die steigende Zahl der Kriegsdienstverweigernden zeigt die berechtigte Sorge vieler Menschen vor einem neuen Zwangsdienst. Es ist ein klares Zeichen gegen die Reaktivierung der Wehrpflicht.“

Bei den Plänen des Verteidigungsministers ist offenbar ein sechs- oder zwölfmonatiger Dienst vorgesehen, durch den sich die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten bis 2035 auf etwa 260.000 erhöhen soll, zusätzlich zu 200.000 Reservistinnen und Reservisten. Für den Fall, dass es zu wenig Freiwillige gibt, soll darin auch eine Wehrpflicht verankert werden.

Pistorius sprach dabei von einer „Teilverpflichtung von Teiljahrgängen“. Der Gesetzentwurf soll demnach bis Ende August ins Kabinett eingebracht werden. Der Start des neuen Dienstes ist für das Frühjahr 2026 vorgesehen.

Die Wehrpflicht war 2011 ausgesetzt worden, ist aber weiter im Grundgesetz verankert und kann wieder reaktiviert werden. Unabhängig von der Aussetzung der Wehrpflicht bleibt das Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen gemäß Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes zu verweigern, bestehen.

Anfang des Monats sprachen sich drei von vier Deutschen in einer Umfrage dafür aus, die Wehrpflicht auf die eine oder andere Art wieder einzuführen. Im ARD-Deutschlandtrend befürworteten 55 Prozent einen Wehr- und Zivildienst, der für Frauen und Männer gleichermaßen gilt (plus zehn Punkte im Vergleich zum April).

Der Anteil der Befragten, die eine Wiedereinführung der Wehrpflicht nur für Männer fordern, ging dagegen deutlich auf 18 Prozent zurück (-9). Nur knapp jeder vierte Befragte (23 Prozent) sprachen sich dafür aus, dass Wehr- und Zivildienst weiter ausgesetzt bleiben (+1), so wie es seit 2011 gilt. (lem)

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