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Sorgerecht: Deutschland darf ledige Väter nicht mehr diskriminieren

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Deutschland wegen der Diskriminierung lediger Väter gerügt und damit deren Sorgerecht gestärkt. Die Straßburger Richter gaben einem Kläger aus Nordrhein-Westfalen Recht, der seit acht Jahren um ein Sorgerecht für seine Tochter kämpft.

Der Europäische Gerichtshof rügte das deutsche Kindschaftsrecht, das ledige Mütter gegenüber den Vätern bevorzugt, als diskriminierend. Geklagt hatte ein Vater aus dem Raum Köln, der seit acht Jahren vergeblich um ein Sorgerecht für seine heute 14 Jahre alte Tochter kämpft.

Dem Urteil zufolge verstößt die Regelung, wonach ledige Väter ein gemeinsames Sorgerecht nur mit Einwilligung der Mutter des Kindes erhalten können, gegen das Diskriminierungsverbot in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Außerdem werde das Grundrecht auf Schutz der Familie verletzt. Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn sprach von einem "guten Tag für Väter". Er hoffe, dass die neue Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nun mit "großem Engagement" tätig werde.

Die Straßburger Richter widersprachen zugleich dem Bundesverfassungsgericht, das die Sorgerechtsregelung für unverheiratete Paare im Januar 2003 bestätigt hatte. Das Bundesverfassungsgericht vertrat die Auffassung, wenn Frauen die Teilung des Sorgerechts ablehnten, sei davon auszugehen, dass sie schwerwiegende, von der "Wahrung des Kindeswohls getragene Gründe" hätten.

Dieses Argument nannte der Gerichtshof für Menschenrechte "nicht überzeugend". Zwar könnten Gerichtsverfahren zur Regelung des Sorgerechts auf ein Kind verstörend wirken. Das deutsche Recht sehe eine solche gerichtliche Überprüfung aber vor, wenn Paare verheiratet oder geschieden seien. Es gebe keine "hinreichenden Gründe", ledigen Eltern weniger gerichtliche Prüfungsmöglichkeit zu geben.

Geklagt hatte ein 45 Jahre alter Musiker. Er wurde 1995 Vater einer Tochter. Damals lebte er mit der Mutter zusammen, war aber nicht mit ihr verheiratet. Als sich das Paar drei Jahre später trennte, blieb die Tochter zunächst beim Vater. Anfang 2001 zog das Mädchen zur Mutter. Der Vater beantragte ein gemeinsames Sorgerecht, das ihm verweigert wurde. Grundlage war das Kindschaftsrecht vom Jahr 1998, das grundsätzlich zuerst der Mutter das Sorgerecht für uneheliche Kinder gewährt. Ein gemeinsames Sorgerecht ist demnach zwar möglich, aber nur mit Zustimmung der Mutter.

Das Urteil fiel in einer kleinen Kammer des Gerichts mit sechs Stimmen gegen eine. Mit Nein stimmte der deutsche Richter Bertram Schmitt. Die Bundesregierung kann nun binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Das Straßburger Gericht kann dann eine Überprüfung durch die aus 17 Richtern bestehende Große Kammer anordnen.

Ein solcher Schritt sei aber wenig wahrscheinlich, sagte der Kläger-Anwalt Georg Rixe. Das Urteil sei schließlich "ziemlich eindeutig" ausgefallen. Dass der deutsche Richter als einziger dagegen gestimmt habe, sei "nicht gut für die Optik".

Bei einer definitiven Verurteilung muss Deutschland nach Einschätzung von Experten das Sorgerecht für ledige Väter stärken. Dazu verpflichte Artikel 46 der Menschenrechtskonvention, sagte eine Juristin am Gerichtshof für Menschenrechte. Demnach müssen die Unterzeichnerstaaten die Straßburger Urteile "befolgen".

Der Vorsitzende des Interessenverbandes Unterhalt und Familie, Josef Linsler, forderte den Gesetzgeber auf, das Sorgerecht nun zu reformieren. "Wir erwarten, dass Deutschland das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs möglichst schnell umsetzt", sagte Linsler. (smz/AFP/dpa)

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