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Auf einem Archivbild aus dem Jahr 2021 sind Raketen des iranischen Militärs zu sehen.

© Foto: imago images/ZUMA Wire/ Irgc Official Website

„Spaltmaterial in wenigen Wochen“: Friedensforscher bezeichnet Irans Atombombenbau als beunruhigend

Der Iran rüstet offenbar seine Uran-Bestände auf. Experte Dr. Oliver Meier bezeichnet im Interview die fehlende Transparenz im Land als größtes Problem.

Stand:

Dr. Oliver Meier ist Experte für die Kontrolle und Abrüstung von Massenvernichtungswaffen am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik.

Herr Meier, nach einem neuen Bericht der Internationalen Atomaufsichtsbehörde IAEO hat der Iran seine Bestände an angereichertem Uran deutlich erhöht. Wie weit ist der Iran noch von der Fertigstellung einer Atombombe entfernt?

Der Iran hat mittlerweile genug angereichertes Uran, um schnell – vermutlich innerhalb weniger Wochen – das für eine oder mehrere Atomwaffen notwendige Spaltmaterial herstellen zu können. Das ist beunruhigend. Das Atomabkommen von 2015 hätte diese Vorwarnzeit auf ein Jahr verlängert.

Daher versucht man derzeit, einen Weg zurück zu dieser Vereinbarung zu finden. Der Besitz von hochangereichertem Spaltmaterial oder Plutonium ist zur Herstellung einer Kernwaffe zwar eine notwendige, aber zum Glück keine hinreichende Voraussetzung. Dafür muss man auch noch andere Technologien beherrschen, etwa um einen Sprengkopf zu zünden.

Diese Fähigkeiten sind nicht trivial, selbst für einen Staat, der wie Iran schon einmal ein militärisches Atomprogramm begonnen hatte. Und bislang hat die IAEO offenbar auch keine Anzeichen dafür, dass der Iran dieses militärische Programm wieder aufgenommen hat. Hier besteht ein zusätzlicher Zeitpuffer, dessen Dauer allerdings schwer einschätzbar ist.

Bis vor kurzem schien eine Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran noch in greifbarer Nähe. Was bedeuten die neuen Erkenntnisse der IAEO für diesen Prozess?

Die Fortführung von Nuklearaktivitäten und insbesondere die Einschränkung der IAEO-Überwachungsmaßnahmen verkomplizieren die Einigung auf einen Weg zurück zum Atomabkommen zusätzlich. Die IAEO spricht das in ihrem neuen Bericht auch offen an.

Die Wiener Behörde hebt hervor, dass zusätzliche Verifikationsmaßnahmen nötig wären, etwa weil Iran vor drei Wochen Überwachungskameras entfernt hat. Die Herstellung des Vertrauens in die friedlichen Absichten hinter Irans Atomprogramm bräuchte also eigentlich weitere, teils intrusive Maßnahmen – und das zu einem Zeitpunkt, an dem Iran nur noch bereit ist, diejenigen Transparenzmaßnahmen umzusetzen, die aus rechtlicher Sicht unter dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag absolut notwendig sind.

Diese Lücke wird die IAEO schließen müssen – auch indem sie das Risiko begrenzt, dass technologische Fortschritte, die der Iran in den letzten Monaten unter Umgehung des Abkommens gemacht hat, militärisch missbraucht werden können. Je länger die jetzige Situation anhält, desto schwieriger wird es, dieses Problem zu lösen.

Bei seinem letzten Israel-Besuch versicherte US-Außenminister Blinken seinem israelischen Kollegen, dass man einen iranischen Atomwaffenbesitz verhindern werde. Wird es nun zu israelischen oder amerikanischen Schlägen auf iranische Nukleareinrichtungen kommen?

Solange die Chance auf eine Einigung in Wien über die Wiederherstellung des Atomabkommens besteht, dürfte die Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation relativ gering sein. Sollten die Verhandlungen jedoch scheitern und der Iran seine Verpflichtungen unter dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag, auf Atomwaffenbesitz zu verzichten, erkennbar verletzen, steigt die Gefahr von Militärschlägen.

Solange die Chance auf eine Einigung in Wien über die Wiederherstellung des Atomabkommens besteht, dürfte die Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation relativ gering sein.

Dr. Albrecht Meier

Wir reden hier nicht von einzelnen kleinen Angriffen. Der Iran verfügt über viele relevante Anlagen, die zum Teil gut geschützt sind. Um diese Einrichtungen nachhaltig zu zerstören, wäre eine lang angelegte militärische Operation nötig. Und auch damit wäre das Problem eines iranischen Atomwaffenbesitzes nicht gelöst, sondern bestenfalls verschoben.

Denn fast alle Staaten, deren Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen militärisch angegriffen wurden, haben ihre Anstrengungen in der Folge diversifiziert und intensiviert. Auch deshalb bleibt eine politische Lösung die beste Option.

Die Fragen stellte Anja Wehler-Schöck.

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