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USA und Iran verhandeln letzte Details: Zwiespältige Hoffnungen in Neuauflage des Atomabkommens
Die Chancen für eine Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran stehen gut. Doch Erwartungen in eine Öffnung des Mullah-Regimes sind unangebracht. Eine Analyse.
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In diesen Tagen könnte das Atomabkommen mit Iran wiederbelebt werden. Teheran und Washington verhandeln letzte Details, schriftlich, mit der EU als Mittlerin und Postbotin. Direkte Gespräche schließt Iran bislang aus, dennoch zeigen sich die Beteiligten vorsichtig optimistisch. Der der EU-Außenbeauftragte, Josep Borrell, befand das jüngste iranische Angebot für „vernünftig“. Eine Einschätzung, der sich auch China und Russland anschlossen. Fortschritte attestierte auch das US-Außenministerium, wenngleich es noch immer Differenzen gäbe.
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Gelingt die Neuauflage der Übereinkunft von 2015, wird Iran sein Atomprogramm erneut beschränken und internationalen Inspektionen unterwerfen. Letztere sollen sicherstellen, dass die internationale Gemeinschaft direkt im Bilde ist, falls Teheran Schritte in Richtung einer Nuklearwaffenfähigkeit macht. Im Gegenzug würden die US-Sanktionen gelockert, das Land könnte wieder ungehindert Öl exportieren und auf Milliarden US-Dollar eingefrorener Auslandsvermögen zugreifen.
Das neue Atomabkommen entspräche der ursprünglichen Übereinkunft. Jedoch unterscheiden sich die aktuellen geopolitischen Rahmenbedingungen deutlich von denen des Jahres 2015, weswegen ein neuerliches Abkommen einen gänzlich anderen Charakter hätte. Anders als beim ersten Anlauf würden heute keine transformativen Impulse ausgehen.
In Teilen Irans wie im Westen bestand 2015 noch die Hoffnung, die Jahrzehnte lange Feindschaft zwischen Teheran und Washington überwinden zu können. Nicht wenige sehnten eine Liberalisierung und Öffnung der Islamischen Republik herbei.
Reformen sind gescheitert – Repression nimmt zu
Diese Hoffnungen sind passé. Unter Präsident Ebrahim Raisi, der letztes Jahr durch Scheinwahlen an die Macht kam, erweckt Iran nicht einmal mehr den Anschein, Reformen im Sinne einer Modernisierung umsetzen zu wollen. Stattdessen nimmt die staatliche Repression dramatisch zu.
Im Westen glaubt kaum noch jemand daran, dass es in der Islamischen Republik Kräfte gibt, die im Fahrwasser eines Atomabkommens die nachhaltige Öffnung ihres Landes herbeiführen könnten. Die persische Perestroika ist krachend gescheitert. Derweil bezweifelt Teheran die Belastbarkeit des Atomabkommens und verweist auf den willkürlichen US-Ausstieg durch die Trump-Administration.
Führende Republikaner:innen tönen bereits, die Übereinkunft abermals annullieren zu wollen. Tatsächlich hätte das Abkommen angesichts dieser Gemengelage zunächst lediglich bis Januar 2025 Bestand, wenn die erste Amtszeit von Joe Biden endet.
Zustimmung unter den Golfstaaten gestiegen
Einzig in der Region rund um den Persischen Golf wendete sich das Blatt zu Gunsten des Atomabkommens. 2015 lehnte das Gros der arabischen Golfstaaten dieses noch vehement ab. Unter dem Eindruck des iranischen Vormarschs in Syrien überwog die Sorge, mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Folge der Sanktionslockerungen würde Iran eine noch aggressivere Regionalpolitik verfolgen können.
Schließlich wurde im Januar 2015, kurz vor Abschluss des Atomabkommens im Juli, in Saudi-Arabien Mohamed bin Salman Verteidigungsminister und neuer starker Mann in Riad. Nach zwei Monaten im Amt begann er den Jemen-Krieg und setzte auf eine konfrontative Politik gegenüber Iran.

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Speziell Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die 2018 von Trump den Ausstieg forderten, haben sich neu positioniert. Beide Staaten stellten fest, welche Risiken eine Eskalation der Nuklearfrage birgt, als Iran in Reaktion auf den Sanktionsdruck Öl-Tanker aus den VAE und ein Öl-Feld in Saudi-Arabien attackierte.
Da eine nennenswerte Reaktion der Trump-Regierung ausblieb, kamen Abu Dhabi und Riad zu dem Schluss, dass auf US-Sicherheitsgarantien kein Verlass sei und ein eigener Modus Vivendi mit Teheran hermüsse. Mittlerweile fordert der Golfkooperationsrat offiziell die Wiederbelebung des Atomabkommens.
Israel lehnt Atomabkommen weiter ab
Das einzige Land, das heute wie vor sieben Jahren das Atomabkommen entschieden ablehnt, ist Israel. Dessen Regierung warnt, Teheran würde auch mit dem Abkommen in wenigen Jahren die Nuklearwaffenfähigkeit erlangen und die Aufhebung der Sanktionen würde Milliarden in die iranische Kriegskasse spülen.
Da sich die Biden-Administration von diesen Erwägungen jedoch nicht beirren lässt, will Israel zumindest die regionalpolitische Zusammenarbeit aktiv gestalten und zusammen mit den Vereinigten Staaten den iranischen Einfluss eindämmen.
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Denn während sich am Persischen Golf eine vorsichtige Détente abzeichnet, ist die Situation in der Levante weiterhin höchst angespannt. Der immer offener ausgetragene „Schattenkrieg“ zwischen Iran und Israel dürfte auch mit wiederbelebtem Atomabkommen unvermindert weitergehen.
Dennoch ist ein positiver Abschluss der Nuklearverhandlungen wichtig, für die Entspannung am Persischen Golf ebenso wie für das iranischen Nukleardossier. Immerhin würde mit einer Rückkehr zum Abkommen sichergestellt, dass Iran zumindest auf absehbare Zeit keine Nuklearwaffenfähigkeit erlangt. Bei allen Unzulänglichkeiten bleibt schließlich die Frage offen, welche realistische Alternative zur Einhegung des iranischen Programms existiert, die nicht in einer unkontrollierbaren Eskalation zu münden droht.
David Jalilvand ist Analyst mit Fokus auf Außenpolitik, Wirtschaft und Energie im Mittleren Osten. Er leitet das Beratungsunternehmen Orient Matters.
David Jalilvand
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