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W mit 219a: Die SPD will den Paragraf abschaffen, die Union ist dagegen. Foto: Boris Roessler/dpa

© picture alliance / Boris Roessle

Große Koalition: SPD-Frauen gegen Kompromiss im Streit um Paragraf 219a

Dürfen Ärzte Abtreibungen "anpreisen"? An der Frage könnte die große Koalition zerbrechen, wenn SPD-Chefin Nahles diese Woche keineAntwort liefert.

Sie ist eine der wenigen, die offen darüber sprechen. Maria Noichl ist SPD-Europaabgeordnete und als Bundesvorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“ (AsF) so etwas wie die Chefin von rund 150 000 Genossinnen. Geht es um den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. „Weg mit 219a!“, fordert sie. „Und zwar kompromisslos!“

Noichl: Nahles muss auf den Tisch hauen

SPD-Chefin Andrea Nahles und Justizministerin Katarina Barley dürfte das nicht gefallen. Beide versuchen gerade genau das, was Noichl ablehnt: einen Kompromiss mit der Union über den Paragrafen 219a zu finden. Die SPD will ihn ersatzlos streichen. Die Union will das nicht. Der Gesetzesabschnitt stellt bislang unter Strafe, wenn ein Arzt Schwangerschaftsabbrüche öffentlich „anpreist“.

Nach dem Willen der SPD sollen Mediziner ohne Angst vor Strafe über Abtreibungen informieren dürfen. „Ich hoffe, dass Andrea Nahles das bei den Verhandlungen deutlich macht und auch einmal auf den Tisch haut“, sagt Noichl. Die SPD habe in der großen Koalition zu oft zurückgesteckt. Jetzt sei es an der Zeit, hart zu bleiben. „Die SPD-Frauen genießen in dieser Frage in allen Teilen der Partei einen großen Rückhalt“, betont AsF-Chefin Noichl. In der Tat fordern der Parteivorstand, die Jusos und verschiedene Landesverbände die Abschaffung des 219a.

Barley: Gespräche mit Union sind "lösungsorientiert"

In der SPD-Bundestagsfraktion gibt man sich am Montag zurückhaltend – selbst die stärksten 219a-Kritiker schweigen. Die Jusos wollen ebenfalls abwarten. Ein paar Tage Zeit habe Nahles ja noch, heißt es in der SPD-Fraktion – wo man auf den kalendarischen Winteranfang am 21. Dezember verweist. Die Parteichefin hatte ursprünglich eine Einigung für Herbst 2018 versprochen.

Glaubt man Justizministerin Barley, könnte der ersehnte Kompromiss bald vorliegen. Die derzeitigen Gespräche mit der Union seien „sachlich und lösungsorientiert“. Doch wie der Ausweg aus dem Groko-Streit aussehen könnte, weiß im Moment niemand. „Da fehlt mir die Fantasie“, sagt eine SPD- Bundestagsabgeordnete.

Einladung der Opposition

Aus SPD-Sicht steckt in dem Fall viel Sprengkraft – nicht nur, weil das Thema viele Frauen, Linke und Junge in der Partei bewegt. An dem Umgang mit dem Paragrafen 219a hängt auch das Schicksal der Parteivorsitzenden Nahles. Sollte sie bis zu diesem Dienstag keinen befriedigenden Kompromiss vorlegen können, wollen einige SPD-Abgeordnete aufs Ganze gehen – und offen gegen die Chefin rebellieren, indem sie die Freigabe der Abstimmung beantragen.

Dann könnten sie zusammen mit der Opposition die Abschaffung des Paragrafen 219a beschließen. Einladungen von FDP und Grünen gibt es bereits. Auch diese fordern die SPD auf, gegen die Union zu stimmen. Das wäre aber wohl das Aus der Groko – und Nahles’ Karriereende.

Doch auch ihre CDU-Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer setzt der Streit unter Druck. Ihre Partei will, dass sie hart bleibt. Für Kramp-Karrenbauer ist es somit der erste Praxistest als CDU-Chefin. Für Nahles könnte es der letzte sein.

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