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Von den Reichen nehmen. Hier ein Foto von einer Demonstration auf Sylt Mitte Juli 2022.

© Daniel Bockwoldt/dpa

SPD-Linke für Sonderabgabe ab zwei Millionen Euro: "Nur die belasten, deren Vermögen beispiellos gewachsen sind"

Um die Einnahmen zu steigern, wollen wir die starken Schultern gesondert belasten. Das bringt viel ein und ist wegen der großen anstehenden Aufgaben nötig. Ein Gastbeitrag.

- Wiebke Esdar ist Haushaltspolitikerin und Co-Sprecherin der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Tim Klüssendorf ist dort Mitglied des erweiterten Vorstands und Finanzpolitiker.

Nach mehr als zwei Jahren Covid-19-Pandemie belastet nun auch Russlands Krieg gegen die Ukraine unsere Volkswirtschaft. Die dadurch getriebenen Preissteigerungen spüren Millionen Menschen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger mit geringen Einkommen oder niedrigen Renten wissen nicht mehr, wie sie über die Runden kommen. Besorgniserregend ist auch, dass die Mittelschicht an ihre Grenzen stößt. Insbesondere Familien mit Kindern drohen um ein Vielfaches gestiegene Energiekosten. Selbstverständliches kann für weite Teile der Bevölkerung Luxus werden.

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Die Ampel unter Bundeskanzler Olaf Scholz ist als Fortschrittskoalition angetreten. Unser Anspruch war und ist, nachdem CDU/CSU jahrelang auf der Bremse standen, Deutschland jetzt mit Tempo auf die Zukunft vorzubereiten. In kurzer Zeit ist SPD, Grünen und FDP schon viel gelungen: Wir legen mit dem Energiepaket endlich die Grundlage für einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Mindestlohn wird Millionen von Beschäftigten helfen.

Das vor kurzem vom Kabinett beschlossene Bürgergeld wird am 1. Januar in Kraft treten, eine große Wohngeldreform kommt. Für all das kann die Aussetzung der Schuldenbremse für 2023 nötig werden, gerechtfertigt ist sie aufgrund der geopolitischen Ausnahmesituation.

Wir brauchen große öffentliche Investitionen

Vor uns liegt ein gesellschaftlicher Wandel, den wir gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern aktiv gestalten wollen. Natürlich bringen drei Parteien unterschiedliche Sichtweisen ein. Das bereichert die Diskussion um unser gemeinsames Zukunftsprojekt. Wenn wir unsere Wirtschaft klimaneutral gestalten und den Wohlstand dieses Landes sichern wollen, dann brauchen wir große öffentliche Investitionen in die Potenziale der Zukunftsmärkte und -technologien, in Aus- und Weiterbildung, in regionale Strukturentwicklungen und in eine nachhaltige und bezahlbare Infrastruktur.

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Ein hohes öffentliches Investitionsniveau hat aus der Sicht der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion eine Lenkungswirkung auch für privatwirtschaftliche Investitionen und setzt so mittel- und langfristig wichtige Wachstumsimpulse. Unser Land steht in dieser Krise vor einer großen Kraftanstrengung. Diese Krise trifft nicht nur Menschen, die wenig haben. Sie gefährdet auch weite Teile der Mittelschicht. Es braucht gezielte Hilfen für die Mehrheit der Menschen in diesem Land.

Davon sind wir überzeugt: Wir müssen öffentliche Einnahmen verbessern, damit der Staat handlungsfähig bleibt. So können wir weitere Entlastungen für die Bürger auf den Weg bringen und Wachstumsimpulse setzen. In den vergangenen Wochen haben wir als Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion über Wege aus dieser beispiellosen Krise diskutiert und wollen unsere Positionen auch öffentlich zur Diskussion stellen.

Freibetrag von zwei Millionen Euro

Im Kern geht es um eine einmalige Abgabe auf besonders hohe Vermögen. Denn eins ist klar: Aus einer Rezession heraus lassen sich die Projekte der Digitalisierung, eines Arbeitsmarkts der Zukunft und einer nachhaltigen Infrastruktur nicht bewältigen. Gehen wir diese Herausforderungen nicht jetzt an, gefährden wir mittelfristig den Wohlstand unseres Landes.

Durch einen persönlichen Freibetrag von zwei Millionen Euro lässt sich sicherstellen, dass die Steuerbelastung auf besonders reiche Teile der Bevölkerung konzentriert wird. Für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen könnte man den Freibetrag auf fünf Millionen Euro erhöhen. Höhere Vermögen werden entsprechend mit einem progressiven Abgabetarif belegt. Die Abgabe träfe so lediglich die vermögendsten 0,4 bis 0,5 Prozent der Bevölkerung und könnte dennoch, je nach Festsetzung des Abgabetarifs, einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Milliardenbetrag an Gesamtaufkommen generieren.

[Lesen Sie auch: Die neue Angst der Mittelschicht vor dem Abstieg (T+)]

Diese Idee ist nicht neu. Schon Konrad Adenauer hat mit dem ganz ähnlichen Konzept des Lastenausgleichs ein Instrument geschaffen, das in der Frühphase der Bundesrepublik einen großen Beitrag zum Wirtschaftswunder geleistet hat. Unser Vorschlag sieht vor, dass betriebliche Vermögen so geschützt werden, dass der Mittelstand in dieser schwierigen Zeit nicht zusätzlich belastet wird.

Der Stichtag zur Ermittlung der Vermögen muss aus unserer Sicht in der Vergangenheit liegen, um Anreize zur Vermögensverringerung und Steuerflucht auszuschließen. Um die Belastung der Vermögen vertretbar zu halten, ist die Zahlung der Vermögensabgabe über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren denkbar. Im Unterschied zu einer Steuer wird die Vermögenabgabe einmal erhoben und über einen Zeitraum abbezahlt.

Die Abgabe, die wir uns vorstellen, belastet nur jene, deren Vermögen in den vergangenen Jahren im globalen Vergleich fast beispiellos und allen Krisen zum Trotz gewachsen sind. Denn die Vermögensungleichheit in Deutschland ist im internationalen Vergleich beschämend hoch – und sie wächst zudem noch schneller als in anderen Ländern. Darum ist es auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und des Zusammenhalts unserer Gesellschaft, zu dem eine Vermögensabgabe einen Beitrag leisten kann. Starke Schultern können mehr tragen. Sorgen wir dafür, dass sie es auch tun.

Wiebke Esdar, Tim Klüssendorf

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