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Kommissionspräsidentin Von der Leyen entzündet in einer Kirche in Butscha Kerzen für die Opfer des Massakers.

© REUTERS/Valentyn Ogirenko

Update

Spitzenpolitikerin besucht Butscha: Von der Leyen sichert Ukraine rasche Entscheidung zu EU-Beitritt zu

Die EU-Kommissionspräsidentin ist am Freitag zu einem Solidaritätsbesuch in der Ukraine eingetroffen. Dabei besuchte sie auch Butscha.

Bei einem Besuch im ukrainischen Butscha hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die russische Armee für die Kriegsgräuel in dem Kiewer Vorort verantwortlich gemacht. „Wir haben das grausame Gesicht von Putins Armee gesehen, wir haben die Rücksichtslosigkeit und die Kaltherzigkeit gesehen, mit der sie die Stadt besetzt hat“, sagte die deutsche Politikerin am Freitag in Butscha.

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„Hier in Butscha haben wir gesehen, wie unsere Menschlichkeit zertrümmert wurde, und die ganze Welt trauert mit den Menschen in Butscha.“ Als erste westliche Spitzenpolitikerin hat sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Bekanntwerden von Kriegsverbrechen im Kiewer Vorort Butscha ein Bild von der Lage gemacht.

Die deutsche Politikerin sah sich dort am Freitag unter anderem 20 exhumierte Leichen aus einem Massengrab an und entzündete in einer Kirche Kerzen für die Opfer des Massakers Gemeinsam mit dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal, dem EU-Außenbeauftragen Josep Borrell und dem slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger legte von der Leyen Kerzen für die Opfer nieder.

„Diese Reise ist ein deutliches Zeichen der Unterstützung für die Ukrainer“, sagte Ursula von der Leyen am Morgen auf dem Weg nach Kiew. Das Land brauche dringend Hilfe. Mit Blick auf die Zeit nach dem Krieg sagte die Kommissionschefin, dass die Ukraine als demokratisches Land aus dem Krieg hervorgehen solle. Gemeinsam mit anderen Gebern sei man dazu bereit, dabei zu helfen, das Land wieder aufzubauen und zu reformieren.

Neues Sanktionspaket liegt auf dem Tisch

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj versprach von der Leyen eine beschleunigte Entscheidung über eine Aufnahme des Landes in die Staatengemeinschaft. "Die Entscheidungsfindung wird nicht wie üblich eine Frage von Jahren sein, sondern eine Frage von Wochen, denke ich", sagt von der Leyen bei einem Treffen mit Selenskyj in Kiew.

Während Russland wirtschaftlichem, finanziellem und technologischem Verfall entgegengehe, bewege sich die Ukraine in Richtung einer europäischen Zukunft. Selenskyj sagt, die Ukraine werde einen von der EU-Kommissionschefin überreichten Fragenkatalog zum angestrebten EU-Beitritt binnen einer Woche beantworten.

Von der Leyen war am späten Donnerstagabend mit einem Sonderzug in der nur 13 Kilometer von der Grenze entfernten südpolnischen Kleinstadt Przemysl aufgebrochen. Dort kommen immer noch jeden Tag Tausende Flüchtlinge in der Europäischen Union an, zu Hochzeiten waren es teils mehr als 100.000 pro Tag.

Sie ist die erste westliche Politikerin, die seit Bekanntwerden der Kriegsgräuel im Kiewer Vorort Butscha die Ukraine besucht. Mitte März waren allerdings schon die Regierungschefs Polens, Sloweniens und Tschechiens in Kiew, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Vergangene Woche besuchte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola überraschend Kiew.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fährt mit dem Zug von Polen aus in die ukrainische Hauptstadt Kiew.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fährt mit dem Zug von Polen aus in die ukrainische Hauptstadt Kiew.

© Janis Laizans/Reuters

Als Reaktion auf das Massaker an Zivilisten in Butscha hatte von der Leyen am Dienstag ein fünftes Sanktionspaket gegen Russland vorgeschlagen, das mittlerweile von den EU-Staaten beschlossen wurde. Es enthält unter anderem ein Importverbot für Kohle aus Russland, aber auch weitere Beschränkungen für den Handel mit Russland und ein weitgehendes Einlaufverbot für russische Schiffe in EU-Häfen.

Kiew: „Es braucht härtere Sanktionen“

Selenskyj begrüßte die Sanktionen, sagte aber zugleich, sie reichten noch nicht aus, um Russland aufzuhalten und den Krieg zu beenden. „Es braucht mehr Sanktionen. Es braucht härtere Sanktionen.“ Zugleich forderte Selenskyj Waffen für sein Land, „mit denen wir auf dem Schlachtfeld gewinnen können“. Das werde die stärkste Sanktion gegen Russland sein, sagte er in seiner täglichen Videobotschaft.

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Der Außenbeauftragte Borrell sagte mit Blick auf den Besuch in Kiew und die Frage, ob weitere Einfuhrverbote etwa für russisches Öl oder Gas verhängt werden: „Das ist der große Elefant im Raum.“ Das Thema werde beim Treffen der EU-Außenminister am Montag auf dem Tisch liegen.

Selenskyj: Opfer in Borodjanka „noch schrecklicher“ als in Butscha

Selenskyj sprach von weiteren Gräueltaten russischer Truppen in der Ukraine. In der Kleinstadt Borodjanka bei Kiew, wo Aufräumarbeiten liefen, sei es „viel schrecklicher“ als in Butscha.

Dort seien „noch mehr Opfer“ russischer Einheiten. Selenskyj stellte zudem die Frage, was passieren werde, wenn die Welt erfahre, was russische Einheiten in der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol angerichtet hätten. Dort sei auf „fast jeder Straße“ das, was die Welt nach dem Abzug der russischen Truppen in Butscha und anderen Orten um Kiew gesehen habe.

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Mit an Bord des Zugs nach Kiew war auch EU-Botschafter Matti Maasikos. Er sollte seine Arbeit in der ukrainischen Hauptstadt mit einem kleinen Team wiederaufnehmen. Die EU-Vertretung war einen Tag nach Kriegsbeginn komplett evakuiert worden, ein Kernteam arbeitete fortan von Rzeszow in Südpolen aus.

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Er kündigte an, 7,5 Millionen Euro für die Ermittlungen zur Verfügung zu stellen, die die Ukraine nach den Kriegsverbrechen in dem Kiewer Vorort Butscha und an anderen Orten durchführt. Zudem zeigte er sich zuversichtlich, dass die EU-Staaten seinem Vorschlag in den kommenden Tagen zustimmen, der Ukraine zusätzliche 500 Millionen Euro zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte in ihrem Kampf gegen die russische Armee bereitzustellen. Damit würden sich die zur Verfügung stehenden Mittel auf 1,5 Milliarden Euro erhöhen.

Die Reise und die Rückkehr des Botschafters sollten zeigen, „dass die Ukraine existiert, dass es da eine Hauptstadt gibt, eine Regierung gibt und Vertretungen anderer Länder“, sagte Borrell. Das Land sei noch immer unter der Kontrolle der Ukrainer. Mit Blick auf die Zugfahrt durch das Land sagte der Spanier: „Man hat nicht das Gefühl, im Krieg zu sein.“

Ukraine: Mehr als 4500 Menschen in Sicherheit gebracht

Nach ukrainischen Angaben wurden am Donnerstag mehr als 4500 Menschen aus umkämpften Gebieten in Sicherheit gebracht. Rund 1200 stammten aus der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol, weitere rund 2000 aus mehreren Städten im Gebiet Saporischschja, teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk mit.

Aus dem Gebiet Luhansk im Osten des Landes seien aus den Städten Lissitschansk, Sjewjerodonezk, Rubischne und Kreminna zudem weitere rund 1400 Menschen evakuiert worden. Die Ukraine rechnet mit einer neuen russischen Offensive im Osten des Landes.

Bund beteiligt sich mit zwei Milliarden Euro an Flüchtlingskosten

Für die Unterstützung der Flüchtlinge in Deutschland will der Bund den Ländern pauschal zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Auch trägt der Bund die Ausgaben für die Grundsicherung, wie nach zähen Verhandlungen mitgeteilt wurde.

Für die Kriegsflüchtlinge hat das Vorteile: Sie erhalten höhere Leistungen und eine bessere Gesundheitsversorgung. Außerdem bekommen sie früher Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt und haben mit den Jobcentern eine zentrale Anlaufstelle für ihre Belange. (dpa)

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