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Die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz in Güstrow.

© Marcus Brandt dpa/lmv

Update

Büro im Bundestag durchsucht: Staatsanwälte werfen CDU-Politikerin Strenz Bestechlichkeit vor

Erstmals wird gegen eine Abgeordnete des Bundestages wegen des Verdachts der Korruption ermittelt. Karin Strenz erhielt Geld aus Aserbaidschan.

Die Ermittler gingen systematisch vor, schließlich wollten sie Beweise für Korruption finden. In drei Bundesländern und in Belgien wurden am Donnerstag 16 Büros und Wohnungen durchsucht, insgesamt waren etwa 100 Beamte der Staatsanwaltschaft, des Bundeskriminalamts sowie der belgischen Behörden im Einsatz.

Eine besondere Brisanz bekommt der Fall deshalb, weil eines der durchsuchten Büros zum Deutschen Bundestag gehört. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft der Abgeordneten Karin Strenz (CDU) Bestechlichkeit vor. Sie soll Geld aus dem autoritär regierten Aserbaidschan erhalten haben. Damit wird erstmals gegen ein Mitglied des Bundestages wegen des Verdachts der Korruption ermittelt.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erhielt Strenz mindestens 22.000 Euro. In der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der die CDU-Politikerin angehörte, habe sie sich mit „pro-aserbaidschanischem Verhalten“ hervorgetan. Weil Abgeordnete Immunität genießen, musste der Bundestag die Durchsuchung am Donnerstagmorgen genehmigen.

Auch die Privatwohnung der Politikerin wurde durchsucht. Zu den Beschuldigten gehören außerdem der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner sowie ein Rechtsanwalt aus Bayern.

Strenz war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Lintner bestätigte die Durchsuchungen, wies aber die Vorwürfe gegen ihn zurück.

Die Geldflüsse, die nun die Aufmerksamkeit der Staatsanwälte erregten, sind Teil eines Korruptionsskandals, der die Parlamentarische Versammlung des Europarates vor drei Jahren erschüttert hatte. Ein italienischer Abgeordneter hatte mehr als zwei Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten und sollte dafür im Europarat eine Resolution verhindern, in der das Land wegen der vielen politischen Gefangenen kritisiert wurde.

Eine Untersuchungskommission des Europarats kam 2018 zu dem Schluss, dass eine ganze Gruppe von Abgeordneten in der Parlamentarischen Versammlung für die Interessen Aserbaidschans arbeitete. Zugleich äußerte sie den Verdacht, dass es tatsächlich Korruption gegeben hat. Die Kommission legte den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten nahe, die Vorwürfe zu prüfen.

Im Europarat fiel Strenz vor allem dadurch auf, dass sie in der Regel so abstimmte, dass es den Interessen Aserbaidschans entsprach. So votierte sie 2015 gegen einen Änderungsantrag, in dem vom Regime in Baku die Freilassung der politischen Gefangenen verlangt werden sollte.

CSU-Politiker Lintner als Schlüsselfigur der Affäre

Strenz erhielt 2014 und 2015 Geld für angebliche Beratertätigkeiten von einer Firma, die dem ehemaligen CSU-Politiker Lintner gehörte und die aus Aserbaidschan bezahlt wurde. Die Abgeordnete bestritt jedoch, von der Herkunft des Geldes zu wissen.

Lintner, der nun im Zentrum der Frankfurter Ermittlungen steht, ist eine Schlüsselfigur der Aserbaidschan-Affäre. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag war er als Lobbyist für das Regime in Baku unterwegs. Die Ermittler werfen ihm vor, von 2008 bis 2016 insgesamt rund vier Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten zu haben, und zwar über Konten, die britische Briefkastenfirmen bei Banken in den baltischen Staaten führten. Ziel sei es gewesen, das Geld „nach Abzug einer eigenen Vergütung“ an Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) weiterzuleiten.

„Diese Abgeordneten sollten sich im Gegenzug in den Medien positiv über Wahlen in Aserbaidschan geäußert und sich bewusst gegen die Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan ausgesprochen haben, obwohl sich die PACE insbesondere dem Schutz der Menschenrechte verschrieben hat“, erklärte die Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Niesen.

Lintner wird daher verdächtigt, die Abgeordneten bestochen und dafür selbst Geld erhalten zu haben. Der ebenfalls beschuldigte Rechtsanwalt soll seine Kanzlei, eine eigens gegründete Gesellschaft sowie Bankkonten für die Zahlungen aus Aserbaidschan zur Verfügung gestellt haben. Ihm wird Geldwäsche vorgeworfen.

Im Europarat hat Strenz lebenslanges Hausverbot

Die Fakten über den Fall Strenz lagen schon lange auf dem Tisch. Nach dem Bericht der Untersuchungskommission erteilte der Europarat der deutschen Abgeordneten lebenslanges Hausverbot. Der Bundestag verhängte gegen sie ein Ordnungsgeld von fast 20.000 Euro – allerdings nicht wegen der Zahlungen aus Aserbaidschan, sondern nur wegen der verspäteten Angabe der Nebeneinkünfte beim Bundestag. Die Staatsanwaltschaft Rostock nahm auch nach einer Anzeige gegen Strenz kein Ermittlungsverfahren auf.

Die Ermittler in Frankfurt am Main waren in einem anderen Verfahren auf die Aserbaidschan-Affäre gestoßen. Dort wird gegen Bankmitarbeiter ermittelt, die Transaktionen von Offshore-Konten nicht geprüft und keine Verdachtsanzeige wegen Geldwäsche gestellt haben sollen.

Unter diesen zweifelhaften Transaktionen waren auch die Überweisungen aus Aserbaidschan (alle Hintergründe zur Aserbaidschan-Affäre lesen Sie an dieser Stelle).

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