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Ein Transparent in Berlin-Kreuzberg.

© imago images/Steinach

Staatsverschuldung in der Coronakrise: Deutschland braucht eine Abgabe für Superreiche

Ein Prozent der deutschen Bevölkerung verfügt über ein Drittel aller Vermögen. Das muss für die Schuldentilgung nach der Krise Folgen haben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Das Jahr eins nach Corona geht zu Ende und hinterlässt neben Trauer und Krankheit ein hässliches Erbe. Europas Wirtschaft ist um gut sieben Prozent geschrumpft, während die Verschuldung der öffentlichen Haushalte drastisch ansteigt. Allein in Deutschland nahmen Bund und Länder mehr als 300 Milliarden Euro an Krediten auf. Das treibt die staatliche Schuldenquote von unter 60 auf mehr als 70 Prozent der Wirtschaftsleistung. Für die Eurozone insgesamt steigt sie sogar auf gut 100 Prozent, und eine beklemmende Frage zwingt sich auf: Wie sollen die Regierungen das je wieder zurückzahlen?

Folgt man den führenden Ökonomen, dann lautet die Antwort: gar nicht. Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen würden die Wirtschaft nur weiter bremsen. Stattdessen sollen die Staaten aus ihrer Verschuldung herauswachsen.

Sobald die Wirtschaft wieder brummt, können sie bei steigenden Steuereinnahmen die Kreditaufnahme herunterfahren, und mit dem Wachstum sinkt die Schuldenquote. Das klingt plausibel, zumal die niedrigen Zinsen es leicht machen. Die zusätzlichen Kredite kosten fast nichts, der deutsche Fiskus verdient sogar daran.

Und doch hat das Konzept eine große Schwäche: Es beruht auf der Annahme, dass alsbald alles wieder so wird, wie es vor der Pandemie war. Das ist aber höchst unwahrscheinlich. Denn die Coronakrise hat aufgedeckt, dass zentrale Aufgaben wie das Bildungs- und das Gesundheitswesen dramatisch unterfinanziert sind. Zudem fahren viele europäische Staaten auf Verschleiß.

Marode Brücken, baufällige Gebäude

Marode Brücken, fehlende Schienen, baufällige öffentliche Gebäude und eine technisch völlig veraltete Verwaltung sind der Ausweis solch falscher Politik. Folglich dürfen die staatlichen Investitionen keinesfalls wieder auf das Vorkrisenniveau sinken, sondern müssen dauerhaft steigen. Und die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz kommt da noch oben drauf. Für die Umstellung auf eine klimaneutrale Produktionsweise werden staatliche Programme im Billionen-Euro-Maßstab nötig. Da ist der Green Deal der EU nur ein Anfang.

All das wird sicher nicht allein mit Krediten zu bewältigen sein, sondern zusätzliche Steuereinnahmen erfordern. Die gute Nachricht ist, dass es dafür neben der Besteuerung von klimaschädlichen Emissionen weitere Reserven gibt: die Vermögen der Superreichen. Deren Steuerlast haben die Wohlstandsstaaten kontinuierlich heruntergefahren, stets begleitet von dem Versprechen, dass die Kapitalbesitzer umso mehr investieren würden.

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Doch das war ein Irrglaube, belegt jetzt eine Studie der London School of Economics. „Große Steuersenkungen für die Reichen seit den 1980er Jahren haben die Ungleichheit erhöht, ohne dass dies durch Gewinne bei der Wirtschaftsleistung ausgeglichen wird“, weisen die Autoren nach. In der Folge verfügt heute auch in Deutschland ein Prozent der Bevölkerung über ein Drittel aller Vermögen.

Darum wäre es nur recht und billig, bei diesem einen Prozent eine Zukunftsabgabe zu erheben, wie es die Linke fordert. Würden Vermögen ab einem Freibetrag von zwei Millionen Euro mit einer progressiven einmaligen Abgabe von zehn bis dreißig Prozent belegt, kämen hierzulande verteilt auf zwanzig Jahre 337 Milliarden Euro zusammen, kalkulierte das DIW. Käme es dazu, wären die Corona-Programme finanziert und der Staat bliebe für die weiteren Aufgaben handlungsfähig – notfalls auch auf Kredit.

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