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Politik: Steinbrück legt sich mit den ostdeutschen Ländern an

NRW-Ministerpräsident: Angleichung der Lebensverhältnisse nicht Sache des Bundes / Thüringen fürchtet um Finanzhilfen

Berlin. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) ist der Ansicht, dass der Bund nicht mehr generell für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland zuständig ist. Steinbrück sieht die Zuständigkeit dafür in Brüssel und – im Rahmen dessen, was das EU-Recht vorgibt – bei den Bundesländern. Zudem hat Steinbrück Zweifel, ob auf vielen Gesetzgebungsgebieten, über die sich derzeit Bund und Länder streiten, die Herstellung gleichwertiger Verhältnisse überhaupt noch erforderlich ist. Das geht aus einem Brief an die Vorsitzenden der Bundesstaatskommission, Franz Müntefering (SPD) und Edmund Stoiber (CSU), hervor, in dem Steinbrück kritisiert, dass der Föderalismusreform bislang der rote Faden fehle.

Steinbrück ist der Ansicht, dass man angesichts der bereits erreichten Integrationstiefe innerhalb der EU generell davon ausgehen müsse, dass die Zuständigkeit für die Gesetzgebung mit dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse und der Rechts- und Wirtschaftseinheit von Berlin nach Brüssel „abgewandert“ sei. Steinbrücks Folgerung: Damit sei der Bund grundsätzlich nicht mehr dafür zuständig, also auch dann nicht, wenn Brüssel gar keine Vorgaben mache. Das sei dann Sache der Länder, weil – so Steinbrücks Lesart – das Grundgesetz den Ländern Vorrang gebe bei der Gesetzgebung.

Hintergrund von Steinbrücks Vorstoß ist der Streit um die Föderalismusreform. Der Forderung vor allem westdeutscher Regierungschefs, den Ländern wieder mehr Spielraum zu geben, steht das Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse entgegen. Steinbrück will nun in der Bundesstaatskommission prüfen lassen, ob größere Vielfalt bei der Gesetzgebung (etwa beim Umweltrecht oder der Bildungspolitik, aber auch im Wirtschafts- und Sozialrecht) wirklich zu einer Bedrohung des bundesstaatlichen Sozialgefüges führen würde. In jedem Falle trage der Bund die Beweislast, ob ein zentrales Gesetz überhaupt nötig sei.

In den ostdeutschen Ländern sieht man Steinbrücks Vorstoß mit Skepsis. Dort fürchtet man, dass damit auch der finanzielle Ausgleich über den Bundeshaushalt gefährdet würde. Steinbrück dürfe nicht den Aufbau Ost und den bis 2019 geltenden Solidarpakt II infrage stellen, sagt etwa Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). Der Bund müsse weiter dafür sorgen, dass gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland herrschten.

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