Fall Kurnaz: Steinmeier lehnt Entschuldigung ab
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat vor dem Untersuchungsausschuss zum Fall des langjährigen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz jede Schuld von sich gewiesen. Das Einreiseverbot für Kurnaz im Herbst 2002 sei richtig gewesen.
Stand:
Berlin - Er könne unter Berücksichtigung der Gefahrensituation im Jahr 2002 und später kein Fehlverhalten erkennen: "Deshalb ist eine Entschuldigung nicht angezeigt." Allerdings bedauere er das Schicksal von Kurnaz. Während die SPD alle Vorwürfe gegen den früheren Kanzleramtschef Steinmeier ausgeräumt sieht, kritisierte die Opposition und auch die Union, der Minister habe bei weitem nicht alle Fragen beantwortet und sich zudem in Widersprüche verwickelt.
So habe Steinmeier die Frage nicht überzeugend beantwortet, warum er unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder (SPD) gegen eine Einreise von Kurnaz gewesen sei und nach Amtsantritt von Angela Merkel (CDU) dann die Einreise befürwortet habe, sagte die CDU-Abgeordnete Kristina Köhler. Steinmeier hatte betont, dass die US-Regierung im Januar 2006 eine "180-Grad-Kehrtwendung" angesichts der internationalen Kritik an dem US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba vollzogen habe. Zudem sei die Entscheidung zu Gunsten einer Wiedereinreise von Kurnaz nach Deutschland aus humanitären Gründen erfolgt.
SPD-Obmann Thomas Oppermann sagte, nach zweieinhalb Monaten Beschäftigung mit dem Fall Kurnaz sei der Ausschuss "auf dem Boden der Tatsachen" angekommen. Es habe keine Freilassungsangebot seitens der USA und auch kein Fehlverhalten gegeben - weder von Steinmeier noch von Ex-Innenminister Otto Schily (SPD). "Die Opposition hat ihr Pulver verschossen." Schily hatte während seiner vierstündigen Aussage zum Auftakt der Sitzung die "politische Verantwortung" im Fall Kurnaz übernommen und damit seinen Parteifreund Steinmeier aus der Schusslinie genommen.
Der 74-Jährige sagte, es bestehe selbstverständlich kein Zweifel, dass das Innenministerium - und nicht das Kanzleramt oder das Außenministerium - die "Kernverantwortung für die Bewertung von Sicherheitsgefahren" habe. "Das nehme ich auf meine Kappe." Grünen- Obmann Hans-Christian Ströbele kritisierte, dass die Entscheidung vom Oktober 2002 für eine Einreisesperre "katastrophale Auswirkungen" für Kurnaz gehabt habe. Trotzdem: "Ich sehe bei Steinmeier kein persönliches Verschulden." Er trage aber die politische Verantwortung für eine falsche Entscheidung.
Steinmeier rechtfertigte die Entscheidung von 2002 mit dem Sicherheitsinteresse Deutschlands. Es habe aber immer - auch im Fall Kurnaz - der Grundsatz gegolten, größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten ohne die Grenzen des Rechtsstaats zu überschreiten. Es sei damals übereinstimmende Erkenntnis der Sicherheitsbehörden gewesen, dass Kurnaz ein "Gefährder" war. Deshalb sei es mit Blick auf die Sicherheit der Menschen zumutbar gewesen, dass Kurnaz bei einer Freilassung nicht nach Deutschland, sondern in die Türkei ausreisen sollte. Die Verantwortung für die mehr als vierjährige Haft habe allein bei den USA gelegen.
Nach Darstellung Schilys musste sich 2002 das Kanzleramt unter Leitung Steinmeiers und das Auswärtige Amt auf "die sachgerechte und sorgfältige Analyse" durch das Innenministerium und die ihm nachgeordneten Geheimdienste verlassen. Diese Feststellung falle ihm leicht, weil sich das Innenministerium "völlig korrekt" verhalten habe, sagte Schily.
Der Ausschuss wird sich noch in vier weiteren Sitzungen bis Mitte Juni mit dem Fall Kurnaz befassen. Dabei sollen unter anderen am 26. April die ehemaligen Staatssekretäre Jürgen Chrobog (Außenamt) und Hansjörg Geiger (Justiz) vernommen werden. (tso/ddp)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: