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Der Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD).

© dpa/Michael Bahlo

Update

Haushaltssorgen bleiben dennoch: Steuerschätzer erwarten bis 2029 rund 33,6 Milliarden Euro höhere Einnahmen

Das lief nicht wie erhofft: Zwar nimmt der Gesamtstaat in den nächsten Jahren wohl etwas mehr Steuern ein. Doch der Bund – und damit Klingbeils Haushalt – profitiert davon nicht.

Stand:

Der Staat kann in den nächsten Jahren mit etwas mehr Steuereinnahmen rechnen – die Haushaltssorgen von Finanzminister Lars Klingbeil sind deshalb aber lange nicht aus der Welt. Denn betrachtet man den Bund allein, kommt nach Prognose der Steuerschätzer bis 2029 nur exakt genauso viel rein wie im Mai angenommen – der Vizekanzler kann also nicht mit zusätzlichem Geld planen.

„Der Konsolidierungsdruck im Bundeshaushalt bleibt hoch“, sagte Klingbeil. „Wir werden mit Blick auf die Haushaltslücken ab 2027 weiterhin einen strikten Konsolidierungskurs fahren: Alle Ministerien bleiben gefordert, Einsparungen vorzunehmen.“

Der SPD-Chef steht vor einer Mammutaufgabe: Er muss seinen Kabinettskollegen klarmachen, dass sie trotz einmaliger Schuldenspielräume kein Geld für Wunschprojekte haben. Denn in Klingbeils Planung für die Jahre 2027 bis 2029 fehlen 172 Milliarden Euro. Es ist die größte Haushaltslücke, die es in der Geschichte der Bundesrepublik je gab – größer als zu Zeiten der Wiedervereinigung, der Finanz- oder der Coronakrise. Und das, obwohl Klingbeil in den nächsten Jahren in bestimmten Bereichen fast unbegrenzt Kredite aufnehmen darf.

Das sagen die Schätzer genau voraus

Die Steuerschätzer, das sind Experten der Bundesregierung, der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats sowie der Länder und Kommunen. Sie sagen zweimal im Jahr voraus, wie sich die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen entwickeln.

Für das kommende Jahr erwarten sie für den Gesamtstaat 10,6 Milliarden Euro mehr Einnahmen als noch im Mai. Bis einschließlich 2029 sollen 33,6 Milliarden mehr hereinkommen. Vor allem profitieren davon allerdings Länder und Kommunen.

Der Bund kann für das kommende Jahr zwar noch mit 4,9 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen rechnen. Für 2028 und 2029 ist dafür dann aber deutlich weniger vorhergesagt als bisher gedacht. „Der Bund trägt ganz überwiegend die Kosten des Wachstumsboosters, mit dem wir die Wirtschaft ankurbeln. Deshalb profitiert der Bund wenig von zusätzlichen Steuereinnahmen“, erläuterte Klingbeil.

Warum die Prognose so ausfällt

Dass die Steuerschätzung insgesamt dennoch positiver als erwartet aussieht, liegt vor allem an den Konjunkturerwartungen. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Wirtschaft nach jahrelanger Flaute erst einmal wieder anzieht und ihre Unterstützungsmaßnahmen wirken.

Das sind zum Beispiel großzügigere Abschreibungsregeln für Firmen, die in Deutschland investieren. Auch die geplanten Investitionen aus dem schuldenfinanzierten Milliarden-Sondervermögen sollen die Wirtschaft ankurbeln. Eine bessere Konjunktur bedeutet automatisch höhere Steuereinnahmen. Allerdings ist die Langfrist-Erwartung offenbar nicht so positiv.

Was das für Klingbeils Haushalt bedeutet

Mit diesen Zahlen muss der Finanzminister seine Etatplanung machen. Der Haushalt für das kommende Jahr ist schon mehr oder weniger unter Dach und Fach: Aktuell beraten die Ausschüsse des Bundestags, Ende November soll er beschlossen werden.

Übergroße Lücken gibt es nicht. Eventuell könnte der Spielraum noch etwas größer werden, wenn Klingbeil Ausgabenreste von diesem Jahr ins nächste rüber retten kann. Denn aus dem nur drei Monate geltenden Haushalt 2025 dürften einige Milliarden übrigbleiben, weil die Ministerien es nicht schaffen, das Geld rechtzeitig auszugeben.

Warum es weiter enormen Spardruck gibt

Das liegt vor allem an den Problemhaushalten 2027 bis 2029. Denn Klingbeil hat zwar neue Schuldenspielräume und plant in dieser Wahlperiode neue Kredite von mehr als 860 Milliarden Euro. Aber die neuen Möglichkeiten gelten nur für die Verteidigung und zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz. Im übrigen Kernhaushalt gilt weiter die Schuldenbremse. Das heißt: Die Ausgaben dürfen die Einnahmen nur wenig überschreiten.

In Klingbeils Finanzplanung tun sie das aber deutlich: Für 2027 stand bisher eine Lücke von 34,2 Milliarden Euro zu Buche. Hier bringt die Steuerschätzung jetzt eine Mini-Entlastung von einer Milliarde Euro.

Für den Rest der Legislaturperiode sieht es nach der Steuerschätzung noch düsterer aus – die Einnahmen liegen unter den bisherigen Erwartungen. Dazu kommt, dass der schuldenfinanzierte Sondertopf für die Bundeswehr aufgebraucht sein dürfte und Schulden aus der Corona-Zeit zurückgezahlt werden müssen.

Für 2027 wollen die Chefs der Koalitionsparteien – neben Klingbeil also Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) – „um den Jahreswechsel“ ein Sparpaket vorlegen. Aktuell werden Ideen gesammelt. Möglich sind Kürzungen von Subventionen und Förderprogrammen, debattiert wird auch eine höhere Erbschaftsteuer, deren Einnahmen allerdings an die Länder fließen.

Klingbeil sagte in der ARD-Sendung „Caren Miosga“: „Wir werden beim Sozialstaat was tun müssen, bei Pflege, bei Rente bei Gesundheit.“ Aber es werde nur dann funktionieren, wenn man sich traue, „bei denen, die viel Geld in diesem Land haben, auch da ranzugehen“.

Wirtschaft und Gewerkschaften sehen nach Steuerprognose anhaltenden Reformbedarf

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist dafür, die Reichen und Privilegierten stärker zur Kasse zu bitten. Die Steuereinnahmen reichten „weiterhin nicht aus, um die riesigen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu bewältigen“, erklärte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des DGB, am Donnerstag in Berlin. Vermögende, Aktionäre und Topverdienende trügen „zu wenig zum Gemeinwesen bei“, kritisierte er. 

Die Bundesregierung müsse die beschlossene Reduzierung der Körperschaftsteuer zurücknehmen, die Vermögensteuer wieder einführen und die „Privilegien für reiche Unternehmenserben bei der Erbschaftsteuer“ streichen, forderte Körzell. „Das könnte zusätzlich rund 50 Milliarden Euro jährlich in die Staatskasse spülen.“

Überhaupt reagierten Wirtschaft und Gewerkschaften verhalten auf die neue Steuerprognose. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte anders als DGB allerdings einen stärkeren Fokus auf wirtschaftliches Wachstum und verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. „Trotz der im Sommer beschlossenen Investitionsoffensive und des in weiten Teilen umgesetzten Sofortprogramms, kommt die Wirtschaftswende nicht in die Gänge“, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. „Die Industrie sieht trotz der hohen Steuereinnahmen weiterhin erheblichen Konsolidierungsdruck für dem Bundeshaushalt.“

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks forderte eine anhaltende Haushaltskonsolidierung. „Die öffentlichen Ausgaben müssen weiter auf den Prüfstand“, forderte ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. „Angesichts des hohen Ausgabendrucks insbesondere im Sozialbereich bleibt keine Zeit zu verlieren.“ Wer auch auf längere Sicht mehr Steuereinnahmen wolle, müsse „dafür sorgen, dass Betriebe investieren und sich Leistung lohnt“. (dpa)

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