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Defensiv und angeschlagen: Präsident Kibaki (links) hat die Polizei in Alarmbereitschaft versetzt. Auch ein enger Vertrauter des Premiers Odinga steht auf der Liste.

© AFP

Verantwortung für Hass und Gewalt: Strafgerichtshof klagt kenianische Minister und hohe Beamte an

Zwei amtierende und ein ehemaliger Minister, der Chef des öffentlichen Dienstes, der frühere Polizeichef und ein Journalist müssen sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten.

Berlin - Der IStGH will ihre Rolle in den blutigen Krawallen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Kenia 2007 untersuchen. Die sechs Namen, die Chefankläger Luis Moreno Ocampo am Mittwoch bei einer live übertragenen Pressekonferenz in Den Haag öffentlich machte, setzen die Regierung ziemlich unter Druck. Die Polizei ist in Alarmbereitschaft versetzt worden, auch wenn bis zum Abend keine neuen Unruhen ausgebrochen sind. Axel Harneit-Sievers, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi, sagte in einer ersten Einschätzung: „Die Liste bildet ziemlich genau das ab, was wir über die Gewalt nach der Wahl 2007 und 2008 wissen.“

Für zwei der Beschuldigten dürften sich ihre Ambitionen, 2012 Präsident Kenias zu werden, erledigt haben. Uhuru Kenyatta und William Ruto wollten beide antreten. Kenyatta ist derzeit Finanzminister und Vize-Premier. Der Sohn des Gründungspräsidenten gehört zum Volk der Kikuyu. Er steht im Verdacht, nach der Wahl 2007 die verbotene Mungiki-Miliz mitfinanziert zu haben, die damals Jagd auf Luos machte. Der heutige Premierminister Raila Odinga und damalige Präsidentschaftskandidat ist ein Luo aus der westkenianischen Stadt Kisumu. Seinem damaligen Verbündeten, dem Kalenjin William Ruto aus dem Rift-Valley, wird die Verantwortung für die Morde von Kalenjin- Kämpfern an Kikuyu-Bauern im Chaos nach der Wahl angelastet.

Kenyatta und der Chef des öffentlichen Dienstes, Francis Kirimi Muthaura, stehen dem umstrittenen Präsidenten Mwai Kibaki sehr nahe. Kenyatta hat Kibaki bei der Wahl 2007 unterstützt, Muthaura gehört zu den engsten Vertrauten Kibakis. Dagegen stand Ruto bis vor einem Jahr Premierminister Raila Odinga nahe. Odinga hat erst vor kurzem einen monatelangen Machtkampf mit Ruto gewonnen, der formell noch immer seiner Partei ODM (Orange Democrativ Movement) angehört. Ruto war in der großen Koalition, die zur Beendigung des Mordens 2008 gebildet worden war, zunächst Agrarminister. Nach einem Korruptionsskandal wurde er zum Minister für höhere Erziehung degradiert. Als sich Ruto gegen die neue Verfassung stellte, die in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde, gelang es Odinga, ihn ganz aus dem Kabinett zu drängen. Für Raila Odinga weitaus unangenehmer ist es, dass Henry Kosgey, der amtierende Industrieminister und ODM-Parteimanager, ebenfalls ein Kalenjin, auch auf der Liste steht, und zwar wie Ruto und der Radiojournalist Joshua Arap Sang für Delikte wie Mord, Vertreibung und Folter.

Der frühere Polizeichef Mohammed Hussein Ali, der 2009 abgelöst worden war, trägt die Verantwortung für die vielen Toten in der westkenianischen Stadt Kisumu, wo die Polizei wahllos auf Plünderer schoss. Ali gehört übrigens der somalischen Minderheit in Kenia an und galt bis zu seiner Ablösung als Musterbeispiel für Integration. Joshua Arap Sang arbeitet für den Kalenjin-Rundfunk Kass, der als Musterbeispiel dafür gilt, wie ein Radiosender zur Mobilisierung von Gewalt genutzt werden kann. Sang ist dort Moderator, ihm werden Mordaufrufe vorgeworfen.

Nach der umstrittenen Wahl Ende 2007 sind mehr als 1200 Menschen getötet worden, rund eine halbe Million wurde vertrieben. Die Unruhen begannen im Rift-Valley, wo Kalenjin ihre Kikuyu-Nachbarn zu verfolgen begannen. Allein in einer Kirche, in die vor allem Frauen und Kinder geflüchtet waren, starben mehr als 30 Menschen, nachdem Kalenjin-Kämpfer sie verschlossen und in Brand gesetzt hatten. Ähnliche Szenen spielten sich wenige Wochen später in Nakuru und Naivasha ab, nur diesmal hatten prominente Kikuyu die verbotene Mungiki-Miliz mobilisiert, um Luo zu jagen. Moreno Ocampo sagte am Mittwoch: „Das waren nicht nur Verbrechen gegen unschuldige Kenianer. Es waren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

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