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Der Fall Wulff: Streit per Briefwechsel

Der Bundespräsident will nicht, dass seine Nachricht an "Bild"-Chef Diekmann veröffentlicht wird. Nun streitet er sich öffentlich mit der Zeitung. Wie ein bizarrer Konflikt ausgetragen wird.

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Eine Passage im Interview mit Christian Wulff am Mittwochabend hat Verwirrung gestiftet – und einen raschen Briefwechsel zwischen der „Bild“-Zeitung und dem Bundespräsidenten ausgelöst. Das Boulevardblatt bestreitet Wulffs Darstellung, er habe mit seiner Wut-Nachricht auf die Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann nur um einen Tag Aufschub für die Veröffentlichung eines Textes über ihn gebeten. „Bild“ dagegen spricht von Verhinderungsabsicht und Drohung – und will den Mailbox-Text veröffentlichen. Das aber will der Bundespräsident nicht zulassen.

Mit welcher Begründung verweigerte Wulff die Zustimmung zu einer Veröffentlichung?

Zunächst gesteht der Bundespräsident im Brief an Diekmann noch einmal ein, was er schon im Interview betont hatte: Die Nachricht auf der Mailbox sei „ ein schwerer Fehler“ gewesen und „mit meinem Amtsverständnis nicht zu vereinbaren“. Die „in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte“ seien „ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt“ gewesen. Er habe sich kurz darauf persönlich entschuldigt. „Sie haben diese Entschuldigung dankenswerterweise angenommen. Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben“, fährt Wulff fort. Es erstaune ihn, dass Teile seiner Nachricht über andere Zeitungen den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten, sagt der Bundespräsident. Es stellten sich „grundsätzliche Fragen zur Vertraulichkeit von Telefonaten und Gesprächen. Hier haben die Medien ihre eigene Verantwortung wahrzunehmen.“

Bei der fraglichen Veröffentlichung sei es ihm darum gegangen, „der ,Bild’-Zeitung meine Sicht darzulegen, bevor sie über eine Veröffentlichung entscheidet. Da ich mich auf Auslandsreise in der Golfregion mit engem Programm befand, konnte ich das aber erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland am Abend des Dienstag, 13. Dezember, tun“, erklärt Wulff . Deshalb habe sein Sprecher den recherchierenden „Bild“-Redakteur um Verschiebung der Frist zur Beantwortung des differenzierten Fragenkatalogs zu dem umstrittenen Eigenheimkredit gebeten. Der Redakteur habe aber nur Verlängerung bis zum Nachmittag des Montag, 12. Dezember, zugesagt. „Es gab für mich keinen ersichtlichen Grund, warum die ,Bild’-Zeitung nicht noch einen Tag warten konnte, wo die erfragten Vorgänge schon Jahre, zum Teil Jahrzehnte zurückliegen“, schreibt Wulff. Und: „Das habe ich nach meiner Erinnerung auf der Mailbox-Nachricht trotz meiner emotionalen Erregung auch zum Ausdruck gebracht.“

Hier die Affäre-Wulff in Bildern

Was bedeutet die Absage Wulffs an eine Veröffentlichung des Textes?

Das Vorgehen von „Bild“ hatte Wulff in die Klemme gebracht. Mit einer Veröffentlichung hätte er riskiert, dass die Öffentlichkeit die Nachricht auf der Mailbox ebenso auffasst wie die „Bild“-Zeitung – nämlich als Versuch, die Veröffentlichung eines Artikels zu verhindern. Das wiederum hätte ihm den Vorwurf einbringen können, in dem Interview nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Dass er nun die Zustimmung zur Veröffentlichung verweigert, vertieft eigentlich noch die Vermutung, die „Bild“-Zeitung könne mit ihrer Darstellung des Sachverhalts doch Recht haben. Gleichzeitig scheint sich das Boulevardblatt mit diesem „Punktsieg“ zu begnügen und auf eine Veröffentlichung, die wohl zu einer juristischen Auseinandersetzung über die Abwägung von Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht geführt hätte, zu verzichten: Die „Bild“-Redaktion „bedauert diese Entscheidung“ Wulffs, hieß es in einer Mitteilung vom Donnerstagnachmittag. Damit könnten die „im Zusammenhang mit dem Fernseh-Interview des Bundespräsidenten entstandenen Unstimmigkeiten, was das Ziel seines Anrufes angeht, nicht im Sinne der von ihm versprochenen Transparenz aufgeklärt werden“.

Wie hatte sich die Auseinandersetzung zwischen der „Bild“ und Wulff angebahnt?

„Bild“ hatte am Donnerstag prompt auf Wulffs Aussage im TV-Interview reagiert. In einem öffentlichen Brief von Chefredakteur Kai Diekmann an den Bundespräsidenten, der auch auf Bild.de veröffentlicht wurde, heißt es: „Mit Verwunderung haben wir gestern Ihre Aussage im Fernsehen zur Kenntnis genommen, bei Ihrem Anruf auf meine Mailbox sei es nicht darum gegangen, Berichterstattung zu verhindern, sondern diese lediglich um einen Tag verschieben zu wollen.“ Um Missverständnisse auszuräumen, „halten wir es deshalb für notwendig, den Wortlaut ihrer Nachricht zu veröffentlichen“. Dafür wolle sich „Bild“ aber Wulffs Zustimmung einholen, „im Sinne der von Ihnen angesprochenen Transparenz“.

Diekmann stellt in dem Brief seine Sicht der Abläufe in jenen Dezembertagen dar, an denen der Bundespräsident im Ausland war: Dem Wunsch Wulffs, den Artikel aufzuschieben, sei bereits einmal entsprochen worden. Am Morgen des 11. Dezember habe die „Bild“ den Fragekatalog an Wulffs damaligen Sprecher Olaf Glaeseker übermittelt und um schriftliche Antwort bis 16 Uhr gebeten. Nach der Bitte um Aufschub seien die Antworten erst am 12. Dezember an die „Bild“ geschickt, kurz vor Reaktionsschluss dann aber von Wulffs Seite zurückgezogen worden. Danach habe Wulff Diekmann auf die Mailbox gesprochen. Unter anderem habe der Bundespräsident mit strafrechtlichen Konsequenzen für den recherchierenden Redakteur gedroht, wenn diese „unglaubliche“ Geschichte erscheine, er soll von „Krieg führen“ gesprochen haben.

Gibt es noch andere Widersprüche in dem Interview, die Wulffs Umgang mit den Medien betreffen?

Wulff soll schon vor Monaten einen Journalisten der „Welt am Sonntag“ wenige Stunden vor Redaktionsschluss ins Schloss Bellevue zitiert haben, um einen Artikel über Wulffs Familie zu stoppen. Im TV-Interview am Mittwoch sagte Wulff, dass es bei so einem Thema „doch normal“ sei, „dass man darum bittet, noch einmal ein Gespräch zu führen. Und der Redakteur hat sich über die Gelegenheit gefreut, er hat mit mir gesprochen. Und es ist dann nichts zurückgeblieben.“ Die Zeitung bleibt jedoch bei ihrer Darstellung, die sie schon Anfang dieser Woche verbreitet hatte: In dem Gespräch „drohte der Bundespräsident unserem Reporter in einem langen Vier-Augen-Gespräch damit, dass er im Falle einer Veröffentlichung sofort eine Pressekonferenz einberufen und dort erklären würde, dass die ,Welt am Sonntag’ eine Grenze überschritten habe“, sagte Jan-Eric Peters, Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, die wie die „Bild“ zum Springer-Verlag gehört.

Der Reporter habe die Atmosphäre bei diesem Teil des Gesprächs als „eisig und sehr heftig empfunden“. Nach dem Gespräch habe Wulff versucht, an höchsten Verlagsstellen, unter anderem beim Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner, zu intervenieren. Der Artikel sei dennoch erschienen.

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