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Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki.

© Ronald Wittek/REUTERS

Streit um Polens Justizreform: EU-Kommission will Taten von Warschau sehen

Seit Monaten schwelt der Streit zwischen Brüssel und Warschau um die umstrittene Disziplinarkammer. Jetzt eskaliert der Streit um fällige Strafzahlungen weiter.

Der Streit zwischen Polen und der EU-Kommission um die umstrittenen Justizreformen der nationalkonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) eskaliert weiter. Im vergangenen Juli hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Regierung in Warschau aufgefordert, die Disziplinarkammer am Obersten Gericht aufzulösen. Die Disziplinarkammer steht in der Kritik, weil deren Anordnungen zur Entlassung missliebiger Richter und Staatsanwälte führen. Da die Kammer weiter  besteht, muss Polen nun wegen der fälligen Geldstrafe mit einer Zahlungsaufforderungen in Höhe von knapp 70 Millionen Euro rechnen.

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Die Summe kommt zu Stande, weil die polnische Regierung seit November verpflichtet ist, einer Aufforderung des EuGH zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro Folge zu leisten. Für jeden weiteren Tag, an dem die Regierung in Warschau in dem Streit untätig bleibt, erhöht sich die Summe der fälligen Strafzahlungen weiter.

Frist lief am Montag aus

Bis zum Montag hatte die polnische Regierung Zeit, um sich gegenüber der EU-Kommission in dem Streit um die Disziplinarkammer zu äußern. Ein Sprecher der Brüsseler Behörde sagte am Dienstag, dass eine Antwort aus Warschau inzwischen vorliege. Die EU-Kommission werde den Inhalt des Schreibens nun schnell analysieren. Falls es keine Hinweise gebe, dass sich Polen vollständig an die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur umstrittenen Disziplinarkammer halten werde, werde die Kommission eine erste Zahlungsaufforderung nach Warschau schicken, kündigte er an.

Notfalls gibt es für die EU-Kommission auch die Möglichkeit, Subventionen aus dem EU-Haushalt für Polen zurückzuhalten, falls die Regierung in Warschau der Aufforderung keine Folge leisten sollte. Zudem liegen im Streit um die polnische Justizreform auch 36 Milliarden Euro aus dem europäischen Corona-Hilfsfonds für Polen auf Eis.

Taktisches Manöver von Morawiecki

Der Streit um die Disziplinarkammer geht mit der Ankündigung einer möglichen Zahlungsaufforderung in die nächste Runde. Im vergangenen Jahr hatte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki versucht, in der Auseinandersetzung Zeit zu gewinnen, indem er vage eine Änderung der Disziplinarregeln für Richter und Staatsanwälte ankündigte. Doch die Ankündigung erwies sich als bloßes taktisches Manöver.

Der EuGH hatte im vergangenen Sommer geurteilt, dass die Disziplinarkammer am Obersten Gericht gegen Unionsrecht verstößt. Nachdem die Regierung keine Anstalten machte, das Urteil umzusetzen, beantragte die EU-Kommission beim EuGH ein tägliches Zwangsgeld. Im Oktober verhängte das in Luxemburg ansässige Gericht dann das Zwangsgeld in Höhe von einer Million Euro pro Tag.

Doch auch davon hatte sich die Regierung in Warschau nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil: In der Zwischenzeit hatte sie den Streit um die Justizreform ihrerseits eskaliert. In einem von Morawiecki angestrengten Verfahren kam das polnische Verfassungsgericht zu dem Urteil, dass Teile des EU-Rechts nicht mit der Verfassung Polens vereinbar seien. Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts löste seinerzeit europaweit heftige Kritik aus, von einer schleichenden Aushöhlung der Gemeinschaft seitens der PiS war die Rede.

Auch im Fall des umstrittenen Warschauer Verfassungsgerichts-Urteils hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Das Verfahren, das die Brüsseler Behörde kurz vor Weihnachten in die Wege leitete, könnte ebenfalls zu finanziellen Sanktionen gegen Warschau führen. Die EU-Kommission machte geltend, dass das Warschauer Urteil der bindenden Wirkung von EuGH-Urteilen zuwider laufe. Zudem äußerte die Brüsseler Behörde Zweifel an der politischen Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichts.

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