Politik: Suche nach dem Sündenbock
In Mecklenburg-Vorpommern hat der Streit über Fehler im Umgang mit der Tierseuche begonnen
Noch haben die Verantwortlichen die Vogelgrippe in Mecklenburg-Vorpommern keineswegs vollständig im Griff, da hat der politische Streit über die richtige Krisenbewältigung schon begonnen.
Den Anlass dazu boten die Vorsitzende des Landtags-Agrarausschusses, Hannelore Monegel (SPD), und ihr Sozialausschuss-Kollege Torsten Koplin (PDS). Sie stellten ihrer Koalitionsregierung nach einer gemeinsamen Ausschuss-Sondersitzung zum Thema Vogelgrippe ein glänzendes Zeugnis aus. Es habe sich gezeigt, sagten sie, dass „die Landesregierung rechtzeitig und folgerichtig“ handle und dass alle Verantwortlichen „fundiert“ ihre Arbeit machten.
Gegen solche „Jubelschreie“ auf die Regierung protestierte die CDU-Agrarexpertin Renate Holznagel. Schließlich habe ein „völlig unnötiger Kompetenzstreit“ zwischen Landwirtschaftsministerium und Landkreis Rügen schnelle Maßnahmen gegen die Vogelgrippe auf der Insel tagelang verzögert.
Wenn es stimme, dass Landrätin Kerstin Kassner (PDS) nicht so gewollt habe wie von Landesagrarminister Till Backhaus (SPD) angeordnet, hätte er Kassner quasi entmachten und durchaus selbst die Verantwortung übernehmen können, meinte die CDU-Abgeordnete weiter. Die Kommunalverfassung und das Tierseuchengesetz gäben das her. Backhaus hätte nicht darauf warten müssen, bis Kassner Katastrophenalarm auslöst und die Bundeswehr anrückt.
Backhaus, unterstützt vom Rest der Landesregierung, wies solche Vorwürfe zurück. Eine „Entmachtung“ der Landrätin sei nicht in Frage gekommen, sagte er. Und seiner Ansicht nach hätte sie auch nicht viel geändert. Offenbar sei der gesamte Landkreis schlecht auf die Krise vorbereitet gewesen, sagte der Minister.
Der Persilschein von Monegel und Koplin kam allerdings auch bei Parteifreunden nicht besonders gut an. Schließlich hatten Backhaus und auch Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) längst Anlaufschwierigkeiten eingeräumt, die irgendwann auch „aufgearbeitet“ werden müssten. Vor allem aber sei Landrätin Kassner schuld an der Misere.
Die Gescholtene verschickte unterdessen einen „Lagebericht“ zum Kampf des Landkreises gegen die Vogelgrippe. Demnach wurde dieser unter anderem verzögert, weil man die Hilfskräfte erst noch sehr umfangreich habe belehren und untersuchen müssen, weil es schwierig gewesen sei, genügend Schutzkleidung zu besorgen, und weil „der Presseansturm aus allen Ländern“ die Arbeit behindert habe. „Die Absperrung der Hauptfundorte wurde teilweise zerstört“, schrieb Kassner, „ der Einsatz von Polizei wäre sofort notwendig gewesen“.
Im Landkreis Ostvorpommern wurde unterdessen der zweite Vogelgrippe-Fall entdeckt. Der hochpathogene H5N1-Erreger wurde bei einem toten Höckerschwan nachgewiesen, der nahe der Ortschaft Potthagen gefunden wurde. Damit hat sich die Zahl der positiv getesteten Tiere in Mecklenburg-Vorpommern auf 111 erhöht. Davon stammen 107 von Rügen.
Der Herd der Seuche befinde sich nach wie vor auf Rügen, betonte Backhaus. Nutzgeflügel sei auf das Virus bisher allerdings nicht positiv getestet worden. Und auf Rügen seien inzwischen alle Bestände untersucht.