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Politik: Syrien: Dorfbewohner fliehen in die Türkei

Angst vor Rache für 120 getötete Sicherheitskräfte

Während unklar bleibt, wer für den Tod von etwa 120 syrischen Sicherheitskräften in der nordsyrischen Provinz Idlib verantwortlich ist, fliehen zahlreiche Bewohner aus Angst vor Vergeltung des Regimes in die Türkei. Die syrischen Sicherheitskräfte hätten über große Teile der Provinz die Kontrolle verloren, schrieb am Dienstag die regierungsnahe Zeitung al Watan. Das Blatt berichtete von bewaffneten Kräften, die den Straßen entlang Sprengfallen gelegt und Dörfer angegriffen hätten. Die syrische Armee sei nun dabei, eine sehr heikle Operation zu lancieren, die so angelegt sei, dass Opfer in Jisr al Shughour möglichst vermieden würden. In der Provinz Idlib wurden als einzige im ganzen Land, die Schulexamen auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Regierung hatte erklärt, in der Ortschaft Jisr al Shughour hätten in den letzten Tagen bewaffnete Gangs 120 Sicherheitskräfte getötet und hatte eine massive Vergeltungsaktion angekündigt. Die andere Erklärung lautete, dass es sich bei den Ereignissen im Nordwesten des Landes um Zusammenstöße innerhalb der Sicherheitskräfte handelt. Dies behaupten syrische Menschenrechtsorganisationen.

Im Internet war ein Video zu sehen, das Bewohner der Stadt bei einem friedlichen Protest mit Olivenzweigen zeigte. Sie baten die Armee, außerhalb der Stadt zu bleiben. Nach den Ereignissen vom Dienstag hat das Regime in der Region von Jisr al Shughour tausende Soldaten von Eliteeinheiten und viele Panzer zusammengezogen. Es soll sich um Truppen handeln, die von Maher, dem jüngeren Bruder von Präsident Bashar al Assad kommandiert werden. Auf den Dächern wurden Scharfschützen postiert und der Strom ist ausgefallen.

Aus Angst vor einem militärischen Angriff ist der Großteil der Bevölkerung geflohen. Augenzeugen berichteten von einer Geisterstadt. 122 Personen haben in der Nacht zum Dienstag die Grenze zur Türkei überquert, die nur 20 Kilometer entfernt liegt. Mit den Neuankömmlingen hat die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei etwa 420 erreicht. Mehr als 30 Verwundete würden in den Spitälern der Region behandelt, erklärten die türkischen Behörden. Ankara betonte, es sei auf einen Massenansturm vorbereitet. Im Moment sei die Grenze aber noch ruhig. Offensichtlich gibt es auch Syrier, die nahe der Grenze auf eigenem Territorium noch abwarten.

Am Dienstag hat die „Jungendkoalition der Freiheitsrevolution“ in Damaskus ihre Gründung bekannt gegeben. Die Koalition versteht sich als führender Organisator der Demokratiedemonstrationen innerhalb des Landes. Sie will so lange kämpfen, bis die Menschen ihre Freiheit und ihre Würde gewonnen hätten. Die Koalition, die ethnisch und religiös gemischt ist, wird sich auch um die Familien der Toten, um die Verwundeten und die Verhafteten kümmern.

Die brutale Niederschlagung dieser Freiheitbewegung hat bisher über 1300 Menschen das Leben gekostet. Frankreich und England haben deshalb am Mittwoch den Entwurf einer UN-Resolution vorgelegt. Darin wird die Repression des syrischen Regimes verurteilt und verlangt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und das Land für humanitäre Hilfe geöffnet wird. Der Text enthält aber keine Sanktionen oder gar Militäraktionen.

Syriens Botschafterin in Frankreich, Lamia Schakkur, beschuldigte unterdessen den Informationskanal France 24 der Falschinformation. Sie werde gegen den Sender klagen, sagte Schakkur im Fernsehsender BFM. France 24 hatte die Botschafterin mit den Worten zitiert, sie könne die Gewaltspirale nicht weiter unterstützen und trete zurück. Das syrische Fernsehen brachte darauf ein Dementi der Information.

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