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Politik: Szenen der Hilflosigkeit

In Mecklenburg-Vorpommern versucht ein überforderter Agrarminister, die Situation und sein Amt zu retten

Mit heiserer Stimme hat Mecklenburg- Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) um seine Reputation gekämpft. Mindestens 16-mal habe er in den vergangenen Tagen Rügens Landrätin Kerstin Kassner (Linkspartei) gebeten, gemahnt und angewiesen, was in der Vogelgrippe-Krise zu tun sei, beteuerte er am Samstag in Schwerin. Doch auf der Ostsee-Insel liefen ihm offenbar immer noch zu viele Touristen und Journalisten in den Schutzzonen herum, und es lagen immer noch zu viele tote Schwäne, Gänse und Enten im Schilf, am Strand und auf dem Eis – jeder Kadaver ein potenzieller Gefahrenherd für Menschen und Nutzgeflügel.

Da die Zahl der mit dem gefährlichen H5N1-Virus infizierten Vogelkadaver von 13 auf 41 gestiegen ist, bat Backhaus die Bundeswehr um Amtshilfe. Soldaten sollen die Schutzzonen um die Fundzonen infizierter Vögel aufbauen, zwei ABC-Trupps sollen beim Desinfizieren helfen. Warum dies möglich wurde, ohne dass Kassner über Rügen den Katastrophenalarm ausrief, vermochte Backhaus nicht recht zu erklären. Dabei war dies in den Tagen zuvor als unabdingbare Voraussetzung für den Einsatz der Soldaten genannt worden.

Backhaus wies den Landkreis zudem an, alle toten Vögel endlich zu beseitigen. Mit 76 Einsatzkräften sollten mehr als die bislang aufgelesenen 200 Vögel pro Tag zu schaffen sein, so Backhaus. Sterbende Schwäne und Gänse sollen von erfahrenen Jägern geschossen werden. Damit kein infizierter Vogel das Weite sucht und in bislang vogelgrippefreie Gebiete flieht, dürfen über Rügen Hubschrauber nur noch im Notfall fliegen.

Backhaus ist wütend auf Landrätin Kassner, der er „katastrophalen Umgang“ mit der Krisensituation vorwirft. Es geht für ihn um mehr als die Vogelgrippe auf Rügen. Seit 1998 ist er Minister, seit 2003 SPD-Landesparteichef. Die Vogelgrippe ist für ihn nicht die erste Krise. Als es um die Schweinepest, BSE und den Nitrofen- Skandal ging, versuchte er sich stets als Aufklärer zu präsentieren – was ihm bislang auch gelang. Politisch unbeschadet überstand er die Gefahren für die Branche und sein Ansehen. Lange Zeit galt er als Kronprinz von Regierungschef Harald Ringstorff. Der will, nachdem sich Backhaus einige politische Patzer leistete, bei der Landtagswahl im September selbst zum dritten Mal antreten. Umso mehr muss Backhaus fürchten, dass die Vogelgrippe seine politische Karriere knickt.

Backhaus gilt als genauso populär wie populistisch. Einst trat er in den Hungerstreik, als in seinem Wahlkreis ein Krankenhaus geschlossen werden sollte. Er inspizierte hoch zu Ross die Reitwege des Landes, nimmt an Treckerfahrwettbewerben teil oder verteilte Bier und Bockwurst an die Helfer der Elbeflut im Sommer 2002. Das brachte ihm Spitzenergebnisse von rund 60 Prozent bei den Landtagswahlen ein. Politisch steht er der PDS nicht so nah wie Ringstorff. Zusammen mit dem bevorstehenden Wahlkampf mag dies erklären, warum er mit Rügens PDS-Landrätin Kerstin Kassner öffentlich wenig zimperlich umgeht.

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