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Thilo Sarrazin (SPD), umstrittener Bestsellerautor und früherer Finanzsenator von Berlin.

© Arne Dedert/dpa

Update

SPD-Ausschlussverfahren: Thilo Sarrazin: "Ich behalte mir vor, den Rechtsweg zu beschreiten"

Der SPD-Vorstand will erneut versuchen, Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen. Der Ex-Finanzsenator sieht das als "Teil des innerparteilichen Machtkampfes".

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Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin reagiert nicht überrascht auf den neuen Versuch der SPD, ihn aus der Partei auszuschließen. „Das ist Teil des innerparteilichen Machtkampfes um die künftige Linie der SPD“, sagte Sarrazin dem Tagesspiegel. Er warte nun in Ruhe ab, „was der SPD-Vorstand mir schreiben wird“. Er behalte sich aber vor, einen Anwalt einzuschalten und den Rechtsweg zu beschreiten. Möglicherweise werde das Verfahren nicht nur das Parteischiedsgericht, sondern anschließend noch die Zivilgerichtsbarkeit beschäftigen.

Der SPD-Vorstand hat an diesem Montag ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin beschlossen. Das teilte der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mit. Grundlage für die Entscheidung war demnach der Bericht einer Untersuchungskommission zu Sarrazins jüngsten Äußerungen und Veröffentlichungen. Die Kommission sei zu dem Schluss gekommen, "dass Sarrazin Thesen propagiert, die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar sind, und der Partei schweren Schaden zufügt", erklärte Klingbeil.

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Sarrazin sieht das anders. Er erinnerte daran, dass der SPD-Bundesvorstand schon einmal ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn zurückziehen musste, „weil es offenkundig chancenlos war“. Auch in seinem neuen Buch gibt es aus seiner Sicht keine Äußerungen, die sozialdemokratischen Grundsätzen widersprächen. „Ich habe Vorschläge gemacht, die auf einer sorgfältigen Sachanalyse beruhen. Ich habe niemanden beleidigt und auch nichts Fremdenfeindliches geschrieben.“

In der Zeit zwischen dem ersten und dem neuen Parteiordnungsverfahren sei deutlich geworden, so Sarrazin, „dass die von mir behandelten Themen in der Gesellschaft ein weiter wachsendes Gewicht bekommen haben“. Es handele sich nicht um die Ansichten eines Außenseiters.

Das Argument, er leiste mit seinen Thesen der AfD Vorschub, hält Sarrazin für abwegig. „Das ist ähnlich absurd wie der Ende des 19. Jahrhunderts geäußerte Vorwurf, wer auf die soziale Not der Arbeiter hinweise, leiste den Sozialisten Vorschub.“

Der ehemalige Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hält das Ausschlussverfahren gegen Sarrazin für einen groben Fehler der Parteiführung. Der Schritt offenbare die Schwäche des Parteivorstands. Auf der SPD-Führung gebe es derzeit „enormen Druck“ des linken SPD-Flügels – und dem habe die Parteispitze nun nachgegeben. „Kein kluger Schachzug“, meint Buschkowsky.

Die Sozialdemokratie sei vielmehr gut beraten, auch unangenehme Positionen wie die Sarrazins einzubinden, findet Buschkowsky. Mit dem Ausschlussverfahren gebe die SPD „ein Stück Volkspartei auf“, weil sie sich nur noch an das „linke Spektrum in der Bevölkerung“ richte. „Das halte ich für sehr gefährlich“, sagte der Neuköllner Ex-Bürgermeister. „Die SPD ist dabei, sich selbst zu vernichten.“

Neuköllner Ex-Bürgermeister springt Sarrazin bei

Buschkowsky trat im August selbst bei der Buchvorstellung von Sarrazins „Feindliche Übernahme“ auf – und befand Sarrazins Buch damals für gelungen. „Ja, das Buch ist islamkritisch, man kann auch sagen: islamfeindlich“, sagte er am Montag. Dennoch müsse in der SPD Platz sein für Politiker wie Sarrazin. Ansonsten entstehe ein falscher Eindruck von der Partei – nach dem Motto: „Nur wer für den Islam ist, kann Mitglied der SPD sein.“

In der Vergangenheit hat Buschkowsky selbst den Unmut seiner Partei auf sich gezogen – ganz ähnlich wie Sarrazin. Das Verhältnis zwischen dem Neuköllner Ex-Politiker und dem Berliner Landesverband ist stark abgekühlt. Zwischenzeitlich forderten sogar einige Genossen aus Berlins Südosten, Buschkowsky die Mitgliedschaft zu entziehen. „Heinz Buschkowsky äußert sich wiederholt in der Integrations- und Migrationsdebatte rechtspopulistisch“, hieß es damals in einem Beschluss der Neuköllner SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt. Der Antrag ist inzwischen zurückgezogen.

Stattdessen entschied der Landesparteitag im November, Kontroversen um polarisierende Aussagen einzelner Mitglieder grundsätzlich anzugehen. Eine „Leitbildkommission“ soll im Laufe des kommenden Jahres klären, „wo pauschalisierende Ablehnungskonstruktionen für sozialdemokratische Willensbildungsprozesse als unvereinbar angesehen werden müssen“. Das Organisationsstatut der Berliner SPD soll dann entsprechend angepasst werden.

Gescheitertes Verfahren wäre Blamage für Nahles

Die Berliner „Leitbildkommission“ richtet sich nach dem Beispiel des Expertengremiums, auf den sich der SPD-Bundesvorstand jetzt im Fall Sarrazin beruft. Buschkowsky gibt dem aktuellen Ausschlussverfahren gegen seinen Parteifreund wenig Chancen. „Wenn sich der Beschluss des Parteivorstands nur auf Sarrazins Buch stützt, dann wird es sehr schwierig, den Parteiausschluss durchzusetzen“, sagte er. Zu ihrer Zeit als SPD-Generalssekretärin sei die jetzige Parteichefin Andrea Nahles schon einmal mit dem Versuch gescheitert, Sarrazin auszuschließen. „Sollte das jetzt noch einmal passieren, wäre das eine riesige Blamage für Nahles.“

Die SPD wird die Untersuchungsergebnisse vorerst nicht veröffentlichen. „Der Bericht ist Gegenstand des laufenden Verfahrens und wird entsprechend nicht veröffentlicht“, sagte eine Parteisprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Darüber hinaus gelte im Rahmen eines Parteiordnungsverfahrens die Verschwiegenheitspflicht nach Paragraf 17 Schiedsordnung. „Dies gilt für die Mitglieder der Schiedskommission sowie für alle Beteiligten und Beistände des Verfahrens“, erklärte sie.

In der Kommission saßen unter anderem Gesine Schwan und Herta Däubler-Gmelin. Die SPD hatte das Gremium damit beauftragt, Sarrazins jüngstes islamkritisches Buch und sein sonstiges Handeln zu prüfen und eine Empfehlung für den weiteren Umgang mit dem Parteimitglied abzugeben.

Hohe Hürden für Parteiausschluss

Juso-Chef Kevin Kühnert begrüßte den erneuten Ausschlussversuch: „Das wichtigste Buch seiner Karriere war keines seiner islamfeindlichen Pamphlete, das wichtigste Buch war immer das Parteibuch der SPD“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Ohne dieses wäre er immer nur ein Hetzer unter vielen gewesen“, meinte Kühnert. „Es wird Zeit, ihm dieses Privileg zu entziehen. Mit den Werten der SPD hat er schon lange nichts mehr am Hut.“

Bereits im Sommer hatte die SPD-Spitze Sarrazin aufgefordert, die Partei freiwillig zu verlassen. Der frühere Bundesbank-Vorstand Sarrazin wird in der SPD seit längerer Zeit als islamfeindlich kritisiert, ein Parteiausschluss scheiterte jedoch zuletzt 2011. Die Bundes-SPD und weitere Antragsteller hatten damals ihre Anträge auf Ausschluss zurückgezogen, nachdem Sarrazin zugesichert hatte, sich künftig an die Grundsätze der Partei zu halten.

Die Hürden für einen Parteiausschluss sind generell hoch, damit er nicht als Instrument missbraucht werden kann, missliebige Menschen loszuwerden. Der frühere Ministerialbeamte, Staatssekretär, Senator und Bundesbanker hatte im Sommer gesagt, er fühle sich in der SPD „nach wie vor gut aufgehoben“. (mit AFP, dpa)

Eine Einschätzung darüber, ob sich die SPD mit dem erneuten Ausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin einen Gefallen getan hat, können Sie in diesem Kommentar von Tagesspiegel-Redakteur Hans Monath nachlesen.

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