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Mario Voigt (CDU), Ministerpräsident von Thüringen.

© dpa/Martin Schutt

Thüringens CDU-Regierungschef: Voigt fordert Änderung des Steuerrechts wegen Nachteilen im Osten

Konzerne sollen dort mehr zahlen, wo sie produzieren, findet der Ministerpräsident. Er sieht außerdem Nachholbedarf bei Westdeutschen, den Osten kennenzulernen.

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Um Nachteile in Ostdeutschland auszugleichen, fordert Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) eine Anpassung des deutschen Steuerrechts. Unternehmen sollten mehr dort zahlen, wo die Produktion stattfinde, und nicht wie derzeit, zu großen Teilen am Standort der Konzernzentralen, sagte Voigt am Freitag bei den Feierlichkeiten zu 35 Jahren Deutsche Einheit in Saarbrücken. Das hätten die Länder, in denen vor allem Produktionsstätten angesiedelt seien, verdient, so Voigt. Sie stellten Infrastruktur bereit und engagierte Menschen, die die Arbeit leisteten.

Unterstützung für seine Forderung bekam Thüringens Ministerpräsident von seiner saarländischen Amtskollegin Anke Rehlinger (SPD). Bei einer Talkrunde, die die IHK Saarbrücken mit der Saarbrücker Zeitung und in Kooperation mit dem Tagesspiegel veranstaltete, verdeutlichte Rehlinger, dass das Saarland als kleinstes Bundesland, das erst seit 1957 zur damaligen Bundesrepublik gehöre, ähnliche Strukturprobleme kenne wie die ostdeutschen Länder: „Eigentlich müsste ich zur Konferenz der Ost-Ministerpräsidenten mit eingeladen werden.“

Die saarländische Ministerpräsidentin und Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) spricht anlässlich der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit.

© dpa/JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN

Auch im Saarland gebe es nur eine Konzernzentrale, aber viele Produktionsstätten, sagte Rehlinger in der von Stefan Peter Herbst, Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, und dem Editor-at-large des Tagesspiegels, Stephan-Andreas Casdorff, moderierten Runde.

Damit gehe oft einher, dass auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, wo höhere Löhne und Gehälter gezahlt würden, in der Nähe der Zentralen angesiedelt seien. „Dabei sind Saarländer nicht weniger klug und innovativ“, so Rehlinger. Es gebe „viel strukturelle Benachteiligung, die wir uns nicht ausgesucht haben“.

Nachholbedarf beim Interesse Westdeutscher am Osten

Gemeinsam warben Voigt und Rehlinger für eine stärkere Annäherung von West und Ost und versprachen einen stärkeren Abbau von Bürokratie in ihren Bundesländern. Voigt sagte, beim Interesse Westdeutscher an Ostdeutschland gebe es großen Nachholbedarf. „Jeder aus dem Osten war mindestens einmal im Westen, aber andersherum kennen viele Mallorca besser, als dass sie wissen, ob Weimar in Thüringen liegt“, kritisierte der Ministerpräsident. Das sei eine Frage von Würdigung und Wertschätzung.

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

© dpa/JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN

Voigt forderte auch, „unverkrampfter mit unseren Farben“ umzugehen. „Die Deutschlandflagge zu hissen, gehört mit dazu“, so der Regierungschef. Das sage er, obwohl in seinem Bundesland die gesichert rechtsextreme AfD stark sei. „Wir lassen uns Deutschland nicht umdichten.“

Nicht stehen lassen wollte Voigt Kritik an Alt-Kanzlerin Angela Merkel, womit er indirekt auch CDU-Parteichef Friedrich Merz widersprach. Merkel habe „es toll gemacht“, sagte Voigt. „Sie hat uns durch schwierige Zeiten ziemlich sicher durchgesteuert.“

Nehmen wir die Einheit also nicht nur als Angleichungsaufgabe

Anke Rehlinger (SPD), saarländische Ministerpräsidentin

Vom Osten könne man lernen, „sein Schicksal in die Hand zu nehmen“, sagte Rehlinger. Sie habe „manchmal den Eindruck, dass einige sich eingerichtet haben in Erklärungen, warum etwas nicht geht“, statt anzupacken. Beim Festakt hatte Rehlinger bereits betont, die Deutsche Einheit zu vollenden, könne nicht bedeuten, dass der Osten sich anpasse, bis er wie der Westen sei: „Nehmen wir die Einheit also nicht nur als Angleichungsaufgabe“, fordert sie. Deutschland sei vielmehr „vereint im Wandel“.

Voigt sieht auch die AfD, die in jüngsten Umfragen bundesweit gleichauf oder nur knapp hinter der Union liegt, als „gesamtdeutsches Thema“. Schiebe man dies nur in den Osten, mache man es sich zu leicht. „Hier ist der Osten fünf Jahre vor der Zeit: Es ist ein Blick durch die Frontscheibe, nicht in den Rückspiegel.“

Jetzt gehe es für die Politik „um die 50 Prozent zwischen Miesmachern und Mutmachern“. Um deren Vertrauen zu behalten oder zurückzugewinnen, müsse der Staat zeigen, dass er handlungsfähig sei und den Bürgern vertraue.

Dafür müsse Bürokratie abgebaut werden, so Rehlinger. „Ein 27-seitiger Elterngeldantrag ist nichts als ein Dokument des Misstrauens.“ Der Bürger könne das „halbe Leben per Apps organisieren, nur für den Staat muss er das Faxgerät vom Speicher holen“. Das gehe nicht. Es müssten „top down und bottom up“ die „Organisationspsychologien“ der Verwaltungen“ durchdrungen werden, damit sich etwas ändere.

Der Staat müsse sich die Akzeptanz beim Bürger wieder erkämpfen, sagte Voigt. In Deutschland gelte: „Melden macht frei.“ In Verwaltungen und Behörden wolle kaum mehr jemand entscheiden, Ermessen werde nicht genutzt, um zu ermöglichen. „Die Menschen sollen entscheiden, selbst wenn es mal falsch ist“, so Voigt.

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