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Josh Hawley, republikanischen Senator, will Präsident werden.

© Greg Nash/Pool The Hill/AP/dpa

Jetzt schlägt Josh Hawleys Stunde: Tritt dieser Mann das Erbe von Donald Trump an?

Der US-Kongress soll diesen Mittwoch das Ergebnis der Präsidentenwahl bestätigen. Einige Republikaner wollen das torpedieren – darunter Hawley. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es ist sein Auftritt. Er steht im Scheinwerferlicht auf ganz großer Bühne, kann brillieren und sich landesweit bekannt machen. Josh Hawley heißt er, ist 41 Jahre alt, republikanischer Senator aus Missouri, smart, populistisch, konservativ.

Ab 13 Uhr (19 Uhr MEZ), wenn sich beide Häuser des Kongresses an diesem Mittwoch zu ihrer gemeinsamen Sitzung treffen, um den Wahlsieg von Joe Biden zum 46. US-Präsidenten zu bestätigen, schlägt Hawleys Stunde. Er führt die stetig wachsende Gruppe jener Republikaner an, die das Verfahren torpedieren wollen. Es sind die Trumpisten innerhalb der „Grand Old Party“.

An sich ist die Zertifizierung von Bidens Wahlsieg durch Senat und Repräsentantenhaus reine Formsache. Ausgezählt werden die Stimmen der Wahlleute in den Bundesstaaten, sie übermitteln die Ergebnisse des „electoral college“ an den Kongress. Der kommt unter Leitung von Vizepräsident Mike Pence – in seiner Funktion als Vorsitzender des Senats – lediglich zusammen, um das Resultat zu bestätigen.

Pence soll am Dienstag gegenüber Präsident Donald Trump nachdrücklich darauf hingewiesen haben, dass er nicht in der Lage sei, die Präsidentschaft Bidens zu verhindern. Trump war entsprechend sauer. Er spricht nach wie vor von Betrug, Schummelei und Manipulation. Ihm sei der Wahlsieg gestohlen worden. Dieser Vorwurf indes konnte in keinem einzigen von etwa sechzig entsprechenden Gerichtsverfahren belegt werden.

Hawley will selbst einmal Präsident werden

Allerdings hat jeder Parlamentarier das Recht, schriftlich Einspruch einzulegen gegen die Legitimität der Wahlleute-Stimmen in einem Bundesstaat. Wird dieser Widerspruch von je einem Mitglied beider Kammern erhoben, wird die gemeinsame Sitzung für die Dauer einer maximal zweistündigen Debatte unterbrochen. Dann wird mit einfacher Mehrheit über den Widerspruch abgestimmt.

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Nur wenn dem Einspruch beide Kammern zustimmen, wird das Ergebnis überprüft. Ein solches Szenario darf aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongress als ausgeschlossen gelten.

Auch die Trumpisten wissen, dass ihr Widerspruch faktisch bedeutungslos sein wird. Die politische Bühne dient ihnen vor allem zur Profilierung. Hawley will selbst einmal Präsident werden. Der gelernte Jurist, mit Studium in Stanford und Yale, gilt als ehrgeizig, konservativ, flexibel.

In den Verhandlungen über ein Corona-Hilfspaket schloss er sich der Initiative der New Yorker Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez, Senator Bernie Sanders aus Vermont und dem „Congressional Progressive Caucus“ an, um direkte Zahlungen in Höhe von 2000 Dollar an alle US-Bürger durchzusetzen. In Sachen Abtreibung, Migration und Waffenbesitz vertritt er dagegen Hardliner-Positionen.

Hawley ist Mitherausgeber eines viel beachteten Buches über Theodore Roosevelt (US-Präsident von 1901 bis 1909), war Staatsanwalt von Missouri und arbeitete von 2007 bis 2008 am Obersten Verfassungsgericht, dem Supreme Court. Mit 41 Jahren ist er der jüngste amerikanische Senator. Viele politische Beobachter trauen ihm eine steile Karriere zu, womöglich gar die Präsidentschaftskandidatur im Jahre 2024. Der treue Trumpist könnte das Erbe seines Lehrmeisters antreten.

Hawley definiert die konservative Agenda neu

Dabei ist Hawley zu schlau, um sich dessen plumpen Wahlbetrugs-Vorwürfen anzuschließen. Stattdessen beruft er sich auf Sorgen und Befürchtungen seiner Wähler, die schon seit Jahren die Fairness von Wahlen bezweifeln würden. Denen wolle er eine Stimme geben, viele Fragen stellen, die Einsetzung einer Kommission verlangen, die vermeintliche Unregelmäßigkeiten bei Wahlen untersuchen soll.

Das mediale Urteil über Hawleys Widerspruchs-Coup fällt überwiegend negativ aus. Das „Wall Street Journal“ wirft ihm vor, sich auf Kosten des Landes profilieren zu wollen, „The Atlantic“ spricht von Opportunismus und „Verfassungsverrat“, die „Los Angeles Times“ wirft ihm vor, die amerikanische Demokratie zu untergraben.

Unverblümt stellen Hawley und seine Mitstreiter, darunter auch der Texaner Ted Cruz, die Machtfrage innerhalb der Republikanischen Partei. Sie rebellieren gegen das Partei-„Establishment“, vertreten auch durch  Mitch McConnell, den republikanischen Mehrheitsführer im Senat. Hawley definiert die konservative Agenda neu: Hypermoralismus im kulturellen Bereich plus Antikapitalismus und Interessenvertretung des „kleinen Mannes und der kleinen Frau“. Das wäre eine Art reaktionärer Sozialismus.

Die Präsidentschaft ist entschieden. Die ideologischen Schlachten werden in den USA dagegen mit unverminderter Heftigkeit weiter ausgetragen.

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