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Michael Steele war der erste afroamerikanische Vorsitzende der Republikanischen Partei.

© imago/ZUMA Press

Republikanischer Trump-Kritiker Michael Steele: „Trump ist weder ein Republikaner noch ein Konservativer“

Der ehemalige Parteichef Michael Steele über die Zerreißprobe der Republikaner, Donald Trumps Kulturkampf – und was nach der Wahl passieren wird. Ein Interview.

Michael Steele war von 2009 bis 2011 Vorsitzender des Republican National Committee – als erster Afroamerikaner in diesem Amt. Zuvor war er bereits der erste Afroamerikaner, der in ein Regierungsamt in Maryland gewählt wurde. Heute arbeitet der 61-Jährige unter anderem als Kommentator für den progressiven TV-Sender MSBNC. Am Montag verkündete er zum Auftakt des republikanischen Parteitags, sich der Anti-Trump-Organisation „Lincoln Project“ angeschlossen zu haben.
Herr Steele, Sie sind als Trump-Kritiker bekannt, haben schon 2016 nicht für ihn gestimmt und werben nun offen für seine Abwahl – als bekennender Republikaner. Erklären Sie uns das.

Ich nenne mich einen „Lincoln Republican“, der sich auf die Gründung der Partei beruft, bei der es um die Abschaffung der Sklaverei ging. Ich bin ein glühender Unterstützer der Bürgerrechte – für jeden Bürger des Landes. Mir geht es um die in der Verfassung gewährten Freiheitsrechte, eine begrenzte Rolle für die Regierung im täglichen Leben der Menschen, um freie Marktwirtschaft, Unternehmertum, Kapitalismus. Gleichzeitig müssen wir verstehen, dass wir den Menschen auch soziale Sicherheit bieten müssen. Aus diesen Gründen bin ich der Partei vor mehr als 40 Jahren beigetreten – und für diese Werte werde ich kämpfen, so lange ich in der Partei bin.

Wo steht Ihre Partei heute?

Das alles wurde ersetzt durch Kulturkriege, eine soziale Agenda und die ständige Betonung von Familienwerten. Das hat sich zunächst ausgezahlt: Trump ist zwar alles andere als ein Sozialkonservativer, dennoch halten etwa die Evangelikalen weiter zu ihm.

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Was wird aus Ihrer Partei?

Es wird zu einer Schlacht um Herz und Seele der Grand Old Party kommen, egal, wer die Wahl gewinnt. Entweder wird sie danach noch mehr Trumpismus vertreten. Oder sie wird sich zusammenraufen, sich wieder auf einen stabilen und philosophischen Konservatismus konzentrieren, der sich auf Wirtschaftsthemen und Außenpolitik fokussiert statt auf inneramerikanische soziale Themen. Und das sage ich als ein „Pro Life“-Vertreter.

Wird das alle zufriedenstellen?

In der Partei gibt es seit jeher Konservative, Moderate und wohl auch ein paar Liberale. Früher konnte die Partei damit umgehen und diese Strömungen zusammenhalten. Aber das hat sich geändert, und die Frage ist, was nun passiert, nachdem Trump eine so große Rolle eingenommen hat. Trump ist weder ein Republikaner noch ein Konservativer. Unter ihm haben sich Isolationismus und Nationalismus ausgebreitet – Einstellungen, gegen die sich Republikaner früher meist gewehrt haben.

Wie sehr verstört Sie, dass Ihre Partei unter Trump so sehr auf den Kulturkampf setzt?

Ich kenne Trump, habe für ihn gearbeitet. Bei ihm überrascht mich das nicht. Verstörend finde ich, wie wenig Widerstand die Partei dem entgegensetzt. Trump ist in der Lage, Republikaner dazu zu bringen, Dinge zu unterstützen, die gar nicht republikanisch und auch nicht konservativ sind. Wie kann eine Partei, die einmal modern war und sich für die Bürgerrechte von Afroamerikanern und anderen Minderheiten einsetzte, sich so verhalten? Trump ist das alles völlig egal, ihm geht es nur darum zu gewinnen – zum Beispiel, als er 2018 davon sprach, dass vor allem Verbrecher über die Grenze zu Mexiko kommen. Es ist enttäuschend, wie viele Republikaner für eine solche Rhetorik empfänglich sind. Es ist doch weder konservativ noch republikanisch, Kinder in Käfige zu stecken oder die Bibel für einen Fototermin mitten in einer nationalen Krise zu nutzen. Genauso wenig ist es konservativ, Gesundheitsexperten zu ignorieren, die uns vor den schlimmen Konsequenzen von Covid-19 warnen. Oder die militärischen Leistungen eines John McCain oder eines Alexander Vindman in den Schmutz zu ziehen. Das ist nicht konservativ, das ist abstoßend, hasserfüllt, soll nur Angst erzeugen und hat mit den Werten meiner Partei nichts zu tun.

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Hat Trump übertrieben und bekommt im November die Quittung?

Für eine solche Prognose ist es zu früh. Was feststeht, ist, dass sich Trump wegen seines Umgangs mit den drei Krisen - Covid-19, eine kollabierte Wirtschaft und zivile Unruhen - rechtfertigen muss. Allerdings gibt es immer noch viele Amerikaner, die ihn unterstützen, mehr als viele wahrhaben wollen. Die Demokraten müssen die moderaten Republikaner und die Unabhängigen dazu bringen, für sie zu stimmen.

Einige konservative Trump-Kritiker glauben, dass die Republikanische Partei auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses verlieren muss. Sehen Sie das ähnlich?

Ja, die Partei muss einen Reinigungsprozess durchlaufen, sie muss aufwachen und zuhören, was ihr die Wähler zu sagen haben. Wenn sie das Weiße Haus und den Kongress verliert, dann kann das ein heilsamer Schock sein.

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