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Mehr Wähler als angenommen verzeihen Trump seine Lügen, seine Provokationen, seinen Rassismus

© Joe Raedle/Getty Images/AFP

Trump stärker als gedacht: Das US-Wahl-Ergebnis ist noch offen – doch die Spaltung steht schon fest

Mehr Wähler als angenommen verzeihen Trump seine Lügen, seinen Rassismus – eine bewusste Entscheidung. Wie umgehen mit dieser Hälfte Amerikas? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die ersten Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in den USA sind da - und es stellt sich das Gefühl des Erstaunens ein: Donald Trump ist immer noch stark, sehr stark. Und zu dem Erstaunen gesellt sich ein Deja-vu. Bittere Erinnerungen an 2016 werden wach.

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Damals hatten die meisten auf Hillary Clinton gewettet. Eine solche Widerlegung aller Umfragen werde sich nicht wiederholen, hieß es. Die Institute hätten hinzugelernt, und überhaupt: Joe Biden sei viel beliebter als Clinton, der Präsident dagegen habe abgewirtschaftet, seine Reaktion auf die Corona-Pandemie werde ihm den Garaus bereiten, seine Angriffe auf die Demokratie, sein Rassismus.

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Und nun das: Kopf an Kopf, Drama, „too close to call“. Rund die Hälfte der Bevölkerung des Landes steht weiter zu Trump. Vor vier Jahren stimmten sie für einen weitgehend Unbekannten. Jetzt wussten sie, was sie taten – und taten es trotzdem. Das heißt, sie sind keine Verführten mehr, keine Hillary-Hasser, keine Abgehängten und Frustrierten. Sondern es sind Menschen, die eine bewusste Entscheidung getroffen haben.

Sie kennen die Zahl der Covid-19-Toten, wissen, was passiert, wenn Obamacare abgeschafft wird, stören sich nicht an einem konservativ besetzten Obersten Gericht. Sie verzeihen Trump seine Lügen, Provokationen und die weitere Spaltung des Landes. Es sind Menschen, deren Bedürfnissen Trump offenbar eine Stimme gab. Diese Bedürfnisse, Ziele und Werte verschwinden auch dann nicht, wenn Trump abgewählt werden sollte.

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Was tun mit dieser Hälfte Amerikas? Biden hat Versöhnung versprochen, die Heilung von Wunden, die Rettung der Seele Amerikas. Aber wie realistisch wäre das? Seine Unterstützer, von Bernie Sanders bis Kamala Harris, haben sich im Wahlkampf hinter ihn gestellt. Die Demokraten sprachen mit einer Stimme, es war Bidens Stimme. Doch politisch monolithisch ist die demokratische Partei keineswegs. Sie steht für das, was auf die andere Hälfte des Landes irgendwie „unamerikanisch“ wirkt.

So steht ein Ergebnis dieser Wahl, ohne dass das Hauptergebnis bekannt wäre, bereits fest: Die Spaltung des Landes wird zementiert. Selbst wenn die Republikaner verlieren sollten, hätten sie keinen Anlass, sich durch Selbstkritik zu reformieren. Die Partei war seit langer Zeit zur Trump-Partei geworden, Abweichler wurden bestraft. Eine Befreiung aus dieser ideologischen Klammer wird es so schnell nicht geben.

Trump oder Biden? Das nervenaufreibende Drama der Nacht macht die so notwendige Verständigung über die politischen Gräben hinweg illusorisch.

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