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US-Präsident Donald Trump und Justizminister Jeff Sessions.

© Saul Loeb, Nicholas Kamm/AFP

Trumps Tweet an Jeff Sessions: In die Russland-Affäre kommt ein Hauch von Watergate

Der US-Präsident fordert ein Ende der Untersuchungen zur Wahlmanipulation, scheut aber vor einer Anweisung zurück. Er muss sich hüten, wie Richard Nixon zu enden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Donald Trump ist kein Kopfmensch. Er ist ein Bauchmensch. Deshalb tut er immer wieder Dinge, von denen Berater und Anwälte ihm dringend abraten. Am Mittwoch hat er Justizminister Jeff Sessions aufgefordert, ein Ende der Russland-Untersuchungen anzuordnen. Ein Novum in der Dynamik der Ereignisse. Und ein Schritt, der gravierende Konsequenzen haben könnte - aber vermutlich nicht haben wird. Noch nicht.

Rational ist Trumps Handeln nicht zu erklären. Es ergibt keinen Sinn. Was soll eine Aufforderung an Jeff Sessions? Der Justizminister hat sich doch schon lange für befangen erklärt in der Russland-Affäre, weil er Trumps Wahlkampf aktiv unterstützt hatte und selbst Kontakte mit Vertretern Russlands hatte. Wenn der Präsident ein Ende der Russland-Untersuchungen durch Sonderermittler Robert Mueller anordnen oder diesen feuern lassen wollte, müsste er sich an Vizejustizminister Rod Rosenstein wenden. Der ist zuständig.

Doch genau das hat Trump nicht getan, wie seine Anwälte und Berater nicht müde werden zu betonen. Der Präsident habe nur sein Gefühl artikuliert, dass die ganze Untersuchung eine Hexenjagd sei. Er habe keine Anordnung zur Einstellung des Verfahrens auf seiner amtlichen Vollmachten gegeben. Denn wenn er es täte, würde man ihm Behinderung der Justiz vorwerfen.

Der Präsident geht absichtsvoll unlogisch vor

Gerade in diesem oberflächlich unlogischen Verhalten liegt der Schlüssel zu Trumps Vorgehen. Sein Bauch sagt ihm, dass diese Untersuchung enden muss. Erstens, weil sie aus seiner Sicht nicht gerechtfertigt ist. Zweitens, weil sie ihm gefährlich werden kann - selbst wenn er nicht einer absichtsvollen Kooperation mit Moskau im Wahlkampf überführt wird.

Sein Kopf und seine Anwälte sagen ihm, dass er die Einstellung des Verfahrens tunlichst nicht anordnen sollte. Dann damit würde er sich auf einen höchst gefährlichen Pfad begeben - einen Pfad, der einen seiner Vorgänger, Richard Nixon, das Amt gekostet hat. Nixon ist nie nachgewiesen worden, dass er den Einbruch in das Hauptquartier der Demokraten im Watergate-Komplex angeordnet hat. Aber er verlangte ein Ende der Ermittlungen, als sie ihm gefährlich wurden.

Bloß keine Parallele zu Nixons "Saturday Night Massacre"

Im so genannten "Saturday Night Massacre" forderte er erst den Justizminister Elliot Richardson und dann dessen Stellvertreter William Ruckelshaus auf, den damaligen Sonderermittler Archibald Cox zu feuern. Beide weigerten sich und traten zurück. Erst der Dritte in der Hierarchie des Justizministeriums, Robert Bork, führte die Anordnung aus. Der öffentliche Eindruck war, dass Nixon die Justiz behinderte. Die negativen Reaktionen waren so negativ, dass der Präsident am Ende zurücktreten musste, um ein Impeachment, die Amtsenthebung, zu vermeiden.

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Trump will ein Ende der Untersuchungen und muss doch zugleich vermeiden, dass Parallelen zu Nixon gezogen werden. Also tut er, was sein Bauch verlangt - und scheut zugleich davor zurück, das zu tun, wovor sein Kopf und seine Anwälte ihn warnen. Er lässt sich zu einem emotionalen Appell an den gar nicht zuständigen Justizminister hinreißen, das Verfahren einzustellen, gibt aber keine offizielle Anordnung, den Sonderermittler zu feuern.

Ablenken und Vernebeln

Damit lenkt er zugleich vom Stand der Dinge ab und legt einen Nebelschleier. So zeigt der Vorgang wieder einmal Trumps Gespür für das Timing und sein Talent, falsche Fährten zu legen. Sein Appell kommt am zweiten Tag des Prozesses gegen seinen ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort. Der hatte Kontakte nach Moskau, hat in Diensten des Kreml Millionen verdient - und sie zudem vor der US-Steuer hinterzogen. Aber all diese Anklagepunkte gegen Manafort stammen aus der Zeit vor seiner Arbeit für Trump, haben also mit Trump nichts zu tun. Sie lassen sich folglich als Beleg für die "Hexenjagd"-Theorie nutzen. Manafort ist wohl kaum der Kronzeuge für Sonderermittler Mueller, der Trump in juristische Schwierigkeiten bringt.

Bedrohlicher sind mögliche Enthüllungen eines anderen Weggefährten von Trump - seines Anwalts Michael Cohen. Der hat die Schweigegeld-Zahlungen für außereheliche Affären des Präsidenten abgewickelt. Und er weiß offenbar mehr über das Treffen mit einer Abgesandten des Kreml mit Trumps Wahlkampfteam, die schmutziges Material über Hillary Clinton anbieten wollte, als dem Präsidenten lieb ist. Cohen, heißt es, sei bereit zu bezeugen, dass auch Trump selbst über dieses Treffen vorab informiert war. Bisher hat Trump das bestritten. Wird er demnächst der Lüge überführt?

Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Einen Fehler sollten die Beobachter in den USA und Deutschland vermeiden: Trumps Ärger über die Untersuchung als Beleg zu interpretieren, dass er Schlimmes zu verbergen habe. Das kann so sein, es muss aber nicht so sein. Klären kann das nur der Sonderermittler. Man sollte ihn seine Arbeit machen lassen. Bis dahin gilt auch für Trump die Unschuldsvermutung.

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