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Eine Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland und ein deutscher Reisepass.

© dpa/Fernando Gutierrez-Juarez

Schnelle Einbürgerung ist vom Tisch: Lasst den Turbo doch erst mal zünden!

Menschen, die hier leben, können nicht mehr schon nach drei Jahren Deutsche werden. Eine vertane Chance, Integration wertzuschätzen. Das Gesetz hätte mehr als ein Jahr Geltungsdauer verdient gehabt.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Das Aus der „Turbo-Einbürgerung“ nach nur einem Jahr, in der sie gilt – es ist ein Signal für mehr: für eine verengte Sicht auf die Demokratie. So wird Integration nicht belohnt, wird Engagement gebremst statt gefördert. Schade.

Ein Schaden ist es obendrein. Wer Deutscher werden will, Deutsch lernt, zu „besonderen Integrationsleistungen“ bereit ist und so Verantwortungsbereitschaft zeigt, wird – zurückgewiesen. Anders ist das nicht zu nennen.

Besondere Integrationsleistungen sind doch auch wirklich welche, in der Schule, im Beruf oder Ehrenamt. Außerdem sollten alle den Lebensunterhalt für sich und die Familie bestreiten können und höhere deutsche Sprachkenntnisse nachweisen.

Für das Aus hat sich eine seltsame Koalition gefunden. Denn das vom konservativen Innenminister Alexander Dobrindt vorgelegte Gesetz wurde verabschiedet mit Stimmen der SPD, die vor einem Jahr für das Gegenteil eintrat – und der AfD. Im Grunde böte das allen Anlass zur Diskussion.

Interessierte Fachkräfte suchen sich jetzt wohl ein anderes Land

Neben dem gesellschaftlichen und sozialen Aspekt gibt es übrigens auch noch einen wirtschaftlichen. Interessant, dass die Vertreter der Marktwirtschaft im Bundestag ihn nicht zu sehen scheinen.

Ausgerechnet das Sozialwerk der evangelischen Kirche, die Diakonie, macht darauf aufmerksam: Deutschland braucht Fachkräfte. Aber wer mitbekommt, dass Integration hier eher gebremst als belohnt wird, sucht sich wohl eher ein anderes Land. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung warnt davor.

Und was ist mit Einbürgerungswilligen, die einen Antrag gestellt haben? Die alles für die „Turbo-Einbürgerung“ erfüllen? Die dürfen nicht an der Bürokratie scheitern, fordert Diakonie-Vorständin Elke Ronneberger. Heißt: Dafür braucht es rasch eine Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz. Wenigstens das.

Richtig, ja, der Turbo hatte noch nicht gezündet. Die Zahl derer, die schon nach drei Jahren Aufenthalt statt im Regelfall nach fünf eingebürgert werden wollten, war sehr gering. Zu gering? Nun, noch, hätte man auch sagen können. Schließlich ist ein Jahr dann doch wenig Zeit für ein solches Gesetz, dass es seine Wirkung in die Gesellschaft hinein entfaltet. Und noch weniger, damit es ausreichend auch in der Welt bekannt wird.

Das Aus ist eine vertane Chance. Es ist eine Möglichkeit verloren, wertschätzend auf Integration zu reagieren. Dabei ist das in diesen rauen Zeiten auch mal nötig.

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