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Politik: Türkische Nationalisten drohen Pamuk

Istanbul - Nach dem Mord an dem Journalisten Hrant Dink bedrohen militante Nationalisten Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. „Pamuk, nimm bloß Vernunft an“, rief am Mittwoch Yasin Hayal, einer der mutmaßlichen Drahtzieher des Mordes an Dink, bei einem Gerichtstermin in Istanbul.

Istanbul - Nach dem Mord an dem Journalisten Hrant Dink bedrohen militante Nationalisten Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. „Pamuk, nimm bloß Vernunft an“, rief am Mittwoch Yasin Hayal, einer der mutmaßlichen Drahtzieher des Mordes an Dink, bei einem Gerichtstermin in Istanbul. Wie Dink ist Pamuk den türkischen Nationalisten verhasst, weil er von einem Völkermord an den Armeniern gesprochen hatte. Der große Zulauf bei der Trauerfeier für Dink am Dienstag war für das Reformlager der Türkei eine Quelle der Zuversicht – endlich habe die schweigende Mehrheit gesprochen, kommentierten die Zeitungen. Doch die Drohung gegen Pamuk zeigt, dass die von den Rechtsradikalen ausgehende Gefahr längst nicht überwunden ist.

Yasin Hayal stieß seine Drohung aus, als ihn Polizisten zu dem Schwurgericht brachten, wo offiziell Haftbefehl gegen ihn erlassen werden sollte. Auch der mutmaßliche Mörder Dinks, Ogün Samast, kam in Untersuchungshaft; er legte vor dem Haftrichter ein Geständnis ab. Er hätte nicht erwartet, dass Dinks Tod „so viel Wirbel“ verursachen würde, wurde der 16-jährige Samast von seinem Anwalt zitiert. Laut Samast war Hayal die treibende Kraft hinter dem Mord. Der 26-Jährige habe immer wieder davon gesprochen, dass Dink Vaterlandsverräter sei. Er besorgte dem Todesschützen die Tatwaffe und auch Fotos von Dink. Bei seinem Auftritt vor Gericht gab sich Hayal sehr selbstsicher.

Von der Regierung sind vorerst keine Impulse zur Veränderung des politischen Klimas zu erwarten. Außenminister Abdullah Gül wollte sich am Mittwoch nicht auf eine Änderung des Paragrafen 301 festlegen lassen, der die „Beleidigung des Türkentums“ verbietet und der Pamuk, Dink und viele andere vor Gericht gebracht hat. Ein schwacher Trost für die Reformer besteht darin, dass die meisten 301-Prozesse niedergeschlagen werden. So begann am Mittwoch ein 301-Verfahren gegen die linksgerichtete Zeitung „Evrensel“ – und endete gleich wieder mit Freispruch.

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