zum Hauptinhalt
Mit Kanzlerin Angela Merkel versteht sich Donald Tusk gut.

© Francois Lenoir / Reuters

EU-Gipfel: Tusk wiederwählen!

Die Staats- und Regierungschefs der EU sollten die Intrigen der PiS-Regierung in Polen ignorieren. Die Zeit der Konsensstrategie ist vorbei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

So einen Streit hat die EU noch nicht erlebt. Er wird den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag bestimmen. Da das Konfliktmuster neu ist, wird die EU wohl gezwungen sein, anders als gewohnt zu reagieren.

Seit zweieinhalb Jahren ist der Pole Donald Tusk Präsident des Europäischen Rats, des Gremiums der EU-Staats- und Regierungschefs. In vielen Europafragen haben sie das entscheidende Wort und nicht die EU-Kommission. In der Regel ist ein EU-Land stolz, wenn es einen so einflussreichen Posten besetzen kann. Beim EU-Gipfel in Malta steht Tusks Wiederwahl an.

Kaczynski denkt in innenpolitischen Intrigen

Doch die PiS-Regierung in Warschau und insbesondere Parteichef Jaroslaw Kaczynski sieht die Welt im Freund-Feind-Schema. Der Liberale Tusk war bis 2015 Regierungschef und gehört zum gegnerischen Lager, der Bürgerplattform (PO). Die innenpolitische Feindschaft wiegt für die populistische PiS stärker als das nationale Interesse, einen Polen an der Spitze des Europäischen Rats zu haben. Ganz überraschend kommt das nicht. Kanzlerin Angela Merkel hatte vor einem Monat in Warschau mit Kaczynski über den Fall gesprochen.

Am Wochenende hat Polen Tusk offiziell die Unterstützung entzogen und den polnischen EU-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski nominiert. Es ist ein Beleg, dass es hier um innenpolitische Intrigen und nicht um eine ernst gemeinte Alternative geht. Saryusz-Wolski ist Mitglied der Tusk-Partei PO. Weshalb hat er sich gegen den Parteifreund instrumentalisieren lassen? Er war Polens Unterhändler in den Beitrittsgesprächen mit der EU, ist intelligent und durchsetzungsfähig. Doch sein Ego steht ihm oft im Weg. Eventuell rechnet er sich bei der PiS künftig bessere Karrierechancen aus als bei der PO. Die PO hat ihn nun jedenfalls aus der Partei ausgeschlossen.

Für die Wiederwahl genügt die qualifizierte Mehrheit

Warum sollte der Europäische Rat Tusk, der sein Amt gut ausgefüllt hat, durch Saryusz-Wolski ersetzen? Der ist kein Ex-Regierungschef wie die bisherigen Ratspräsidenten. Der Gipfel kann sich über Polen hinwegsetzen und Tusk erneut wählen. Dafür genügt eine qualifizierte Mehrheit.

Ein solches Vorgehen wäre freilich ein Novum. Noch nie hat der Rat seinen Präsidenten gegen das Votum aus dessen Heimatland gewählt. Das sollte den Gipfel aber nicht davon abhalten. Tusk ist der Richtige. In früheren Jahren hätte die konsenssüchtige und konfliktscheue EU in solchen Situationen nach einem dritten Kandidaten gesucht.

Dieser Konflik muss ausgetragen werden

Dafür gibt es hier keinen guten Grund. Polens Motive haben nichts mit dem Wohl Europas zu tun. Der Streit muss ausgetragen werden. Gewiss ist damit das Risiko verbunden, dass Polen aus Rache andere Beschlüsse erschwert und sich die Krise zwischen der EU und Warschau zuspitzt. Doch wenn die Erpressung Erfolg hätte, würde das Beispiel Nachahmer finden. Der langfristige Schaden für Europa wäre dann größer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false