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Dutzende Kriegsgefangene getötet: Ukraine geht von „False Flag Operation“ Russlands in Oleniwka aus
Beide Seiten machen sich gegenseitig für den Anschlag verantwortlich. Die Anzeichen verdichten sich, dass Russland einen ukrainischen Angriff fingiert hat.
Stand:
Einen Tag nach dem Angriff auf ein Lager mit ukrainischen Kriegsgefangenen hat Russlands Verteidigungsministerium eine Liste mit Namen von 50 Toten und 73 Verletzten veröffentlicht. Bei dem Angriff sei ein Großteil der 193 Kriegsgefangenen in Oleniwka im Gebiet Donezk getötet oder verletzt worden, teilte das Ministerium am Samstag mit.
Die russische und die ukrainische Seite machten sich am Freitag gegenseitig für den Tod der Gefangenen in dem Ort Oleniwka bei Donezk verantwortlich. Russland sprach von einem Raketenbeschuss, die Ukraine verbreitete unterschiedliche Darstellungen zu dem Geschehen.
Mit Stand Samstagmorgen seien 48 ukrainische Gefangene tot geborgen worden, zwei weitere seien auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben, hieß es. Den Verletzten werde medizinische Hilfe zuteil. „Die gesamte politische, strafrechtliche und moralische Verantwortung für das Blutbad an den Ukrainern trägt persönlich Selenskyj, sein verbrecherisches Regime und Washington als Unterstützer“, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.
In dem Gefängnis sollen die von Moskau kontrollierten Okkupanten viele ukrainische Soldaten gefangen halten, die sich nach der monatelangen Verteidigung der Hafenstadt Mariupol ergeben hatten. Dazu zählten auch Soldaten des nationalistischen Regiments Asow.
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Die Berichte über die toten ukrainischen Kriegsgefangenen in Oleniwka waren kaum zu verifizieren. Bilder und Videos russischer Quellen zeigten Tote, dazu einen Schlafsaal voller Stockbetten unter einem zerstörten Dach.
Allerdings: „Das verfügbare optische Material scheint die ukrainische Darstellung eher zu stützen als die russische“, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien (ISW), ohne sich endgültig festzulegen. „Russland soll Dutzende ukrainische Kriegsgefangene getötet haben“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borell.
Der ukrainische Generalstab dementierte bereits am Freitag, dass seine Truppen das Gefängnis beschossen hätten. Die ukrainische Armee bombardiere keine zivilen Objekte und „schon gar nicht Plätze, an denen wahrscheinlich gefangene Waffenbrüder festgehalten“ werden.
„False Flag Operation“ von russischer Seite vermutet
Selenskyjs Berater Michajlo Podoljak sprach von einer „klassischen, zynischen und sehr durchdachten Operation unter falscher Flagge“. Das Portal Ukrajinska Prawda zitierte angebliche Quellen im ukrainischen Militärgeheimdienst, nach denen russische Kräfte nachts das Gebäude in dem Lager zerstört hätten.
Während der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter von einem Beschuss durch Russland sprach, sprachen die ukrainischen Geheimdienste von einer gezielten Sprengung durch russische Kräfte. „Die Explosionen ereigneten sich in einem neu errichteten Gebäude, das speziell für die Gefangenen aus Azovstal hergerichtet wurde“, behauptete der ukrainische Militärgeheimdienst.
Azovstal ist das Stahlwerk in Mariupol, in dem sich die ukrainischen Soldaten verschanzt hatten. Hinter der Sprengung soll angeblich die russische Söldnertruppe Wagner stecken, so der Geheimdienst.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, die Baracke sei von Raketenwerfern des Typs Himars beschossen wurden. Die USA haben diese Mehrfachraketenwerfer erst vor einigen Wochen an Kiew geliefert. Mit den hochmodernen Waffen haben die Ukrainer seitdem viele Munitionsdepots und Kommandopunkte der Russen weit hinter der Front zerstört.
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Mittlerweile gehen Analysten davon aus, dass es um den Einsatz von thermobaren Waffen, auch Vakuumbombe genannt, gehandelt haben könnte. Offiziell bestätigt wurde die Information allerdings nicht. Hätte eine Himar eingeschlagen, so schreibt der Ex-Militär Thomas C. Theiner auf Twitter, läge das Gebäude in Trümmern. Das Mauerwerk ist allerdings größtenteils noch intakt.
Die sogenannte Volksrepublik Donezk will die Ukrainer vor Gericht stellen und droht mit der Todesstrafe. „Es ist offensichtlich ein bewusster Beschuss und der Wunsch, diejenigen Vertreter, darunter des Asow-Regiments, zu vernichten, die angefangen haben, Geständnisse abzulegen“, behauptete Separatistenführer Denis Puschilin. (dpa, Tsp)
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