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Viele russische Soldaten müssen ohne Vorbereitung in den Krieg ziehen.

© Foto: Imago/Vitaly Timkiv

Ukraine-Invasion Tag 236: Putins Mobilisierung stößt auf praktische Probleme

Kiew wird erneut von Explosionen erschüttert, Moskau schickt Tausende Soldaten nach Belarus, die Nato beginnt ein zweiwöchiges Manöver. Der Überblick am Abend.

Stand:

Durch die Teilmobilisierung wollte Russlands Präsident Wladimir Putin die Lücken in den eigenen Reihen füllen. Experten hatten aber schon zu Beginn vorausgesagt, dass dabei viele schlecht ausgebildete und ungenügend ausgerüstete Soldaten in die Ukraine geschickt werden dürften, die Russland kaum nützen würden. Jüngste Berichte wie der von Moskau erstmals bestätigte Tod von fünf Rekruten scheinen dies zu belegen.

Die „New York Times“ hat sich nun näher mit den praktischen Problemen der russischen Teilmobilisierung befasst. So zitiert die Zeitung aus zahlreichen Social-Media-Videos, in denen man einen Einblick in die Ausrüstung und Ausbildung der Rekruten erhält. In einem Video etwa hätten Soldaten erzählt, dass sie nach nur elf Tagen an die Front geschickt wurden, einer antwortet auf die Frage nach Schießübungen mit: „Einmal. Drei Magazine.“ Andere berichten von lediglich theoretischen Übungen.

In einem weiteren Video sei zu sehen, wie Angehörige den frisch eingezogenen Soldaten Rucksäcke, Verbandszeug, sogar kugelsichere Westen gäben. Auch der Gouverneur von Kursk wird zitiert, der von zerstörten Kantinengebäuden, verrosteten oder kaputten Duschen und einem Mangel an Betten und Uniformen beschreibt.

„Sie geben ihnen bestenfalls Grundkenntnisse und schlimmstenfalls gar nichts“, zitiert die „New York Times“ William Alberque, einen Spezialisten für die russischen Streitkräfte. Auch die Experten des Thinktanks „Institute for the Study of War“ hatten bereits festgestellt, dass Moskau mit der sofortigen Entsendung der neuen Truppen an die Front die Neuaufstellung der Streitkräfte insgesamt gefährdet. 

Ähnlich sagte es auch Johan Norberg, Russland-Analyst bei der schwedischen Verteidigungsforschungsagentur, der Zeitung: „Die Russen werden sich entscheiden müssen: Entweder sie bauen eine Einheit im Laufe der Zeit richtig auf und riskieren dann, den Krieg zu verlieren, oder sie setzen diese Einheit jetzt ein, weil der Krieg es erfordert, aber die Einheit wird nur halb fertig sein.“ Im Moment jedoch, so konstatiert die „New York Times“, scheint es so, dass Moskau Quantität vor Qualität stelle. 

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist am Morgen seit 4 Uhr MEZ erneut von Explosionen erschüttert worden. Genau eine Woche nach schweren russischen Luftangriffen waren in der Stadt drei Explosionen zu hören. Die Details dazu lesen Sie hier.
  • Die durch ihren Live-Protest gegen den Militäreinsatz in der Ukraine bekannt gewordene russische Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa ist mit ihrer Tochter aus Russland geflohen. „Owsjannikowa und ihre Tochter haben Russland verlassen“, sagte ihr Anwalt Dmitri Sachatow der AFP. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Russland hat zunehmend Probleme bei der Versorgung in der Südukraine. An der durch eine Explosion beschädigten Kertsch-Brücke zur Krim stauen sich noch immer die Lkw. Das geht aus dem Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums hervor. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Die Nato beginnt heute ihr jährliches, zwei Wochen andauerndes Manöver zur Verteidigung des europäischen Bündnisgebiets mit Atomwaffen. Das Bündnis betont, dass „Steadfast Noon“ keine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg sei und dass keine scharfen Waffen zum Einsatz kämen. Mehr dazu hier.
  • „Wir brauchen mehr, wir brauchen viel mehr“: Der designierte ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev kommt in Deutschland an und fordert noch vor seinem Amtsantritt mehr Waffen für sein Land. Mehr hier.
  • Die iranische Regierung bestreitet erneut, dass sie an Russland Drohnen zum Einsatz in der Ukraine geliefert hat. Solche Nachrichten seien politisch motiviert und würden vom Westen verbreitet, sagt der Sprecher des Außenministeriums in Teheran, Nasser Kanaani, vor der Presse. Mehr dazu in unserem Newsblog.
  • Russland und die Ukraine werden nach Angaben eines von Russland unterstützten Separatistenführers am Montag 220 Gefangenen austauschen. Nach Angaben von Denis Puschilin Ist die Freilassung von 110 Ukrainern und 110 Russen geplant. Unter den Russen seien 30 Soldaten und 80 „zivile Seeleute“. Bei den Ukrainern handele es sich zum Großteil um Frauen.
  • Moskau schickt nach amtlichen Angaben bis zu 9000 Soldaten sowie Hunderte Einheiten Technik nach Belarus. Erwartet würden rund 170 Panzer, 200 gepanzerte Kampffahrzeuge und Artillerie, teilte der Leiter der Abteilung für internationale militärische Zusammenarbeit im belarussischen Verteidigungsministerium, Waleri Rewenko, in Minsk mit. 
  • Die Bundeswehr bemüht sich um ein wirksames Konzept, um ihre Standorte und Übungsplätze gegen die Ausspähung durch Drohnen zu schützen. Solche Überflüge hätten „ein unmittelbares Gefährdungspotential“, wenn auf Übungsplätzen etwa ukrainische Soldaten in der Ausbildung seien, sagte die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Martina Rosenberg, bei einer öffentlichen Anhörung im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags.
  • Die EU erhöht ihren Finanzrahmen für Militärhilfen an die Ukraine um weitere 500 Millionen Euro auf jetzt 3,1 Milliarden. Auf diese sechste Tranche aus der sogenannten Friedensfazilität verständigten sich die EU-Außenminister bei ihrem Treffen am Montag in Luxemburg. 
  • Einen Monat nach der von Präsident Wladimir Putin angeordneten Teilmobilmachung werden die Moskauer Rekrutierungszentren geschlossen. Wie Bürgermeister Sergej Sobjanin mitteilte, seien die Ziele der Teilmobilmachung in Moskau „vollständig“ erreicht worden.
  • Die ukrainischen Getreide-Exporte haben nach Angaben der Regierung im Oktober fast wieder das Vorkriegsniveau erreicht. In den ersten 17 Tagen des Monats seien sie nur um 2,4 Prozent niedriger gewesen als im gleichen Zeitraum des Jahres 2021, wie Daten des Landwirtschaftsministeriums zeigen.
  • Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben die EU aufgefordert, zusammen mit internationalen Partnern ein Sondertribunal wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine einzurichten. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung der Außenminister der drei Länder vom Sonntagabend hervor. 
  • Der Angriffskrieg Russlands Krieg gegen die Ukraine und die galoppierende Inflation haben laut dem Hilfswerk Unicef vier Millionen Kinder in Osteuropa und Zentralasien zusätzlich in die Armut getrieben. Das entspreche einem Anstieg von 19 Prozent seit 2021, heißt es in einer Unicef-Studie.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die neuen russischen Angriffe mit Raketen und Drohnen als Terror gegen die Zivilbevölkerung verurteilt. „Der Feind kann unsere Städte angreifen, aber er wird uns nicht brechen“, schrieb Selenskyj im Nachrichtenkanal Telegram. 
  • Nach Angaben des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte beschießen russische Streitkräfte weiterhin ukrainische Stellungen an mehreren Fronten, darunter Städte in den Regionen Charkiw, Donezk und Cherson. 
  • Der designierte neue Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev, erwartet einen Sieg seines Landes im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. „Die deutsche Bevölkerung unterstützt die Ukraine so stark, dass ich sicher bin, dass wir gemeinsam mit Deutschland und allen anderen europäischen Partnern den Krieg gewinnen werden! Je schneller, desto besser“, sagte er der „Bild“-Zeitung. 

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