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Ukrainische Soldaten fahren einen T-80-Panzer, den sie nach eigenen Angaben von der russischen Armee erbeutet haben.

© Foto: dpa/Inna Varenytsia

Ukraine-Invasion Tag 281: Wo Russland bald in die Offensive gehen könnte

Bürger von Kiew sollen Notvorräte anlegen, Kreml kritisiert Bundestag, Briefbombe in der ukrainischen Botschaft in Madrid. Der Überblick am Abend.

Nach den Entwicklungen der vergangenen Monate, in denen die Ukraine das Geschehen auf dem Schlachtfeld bestimmte, scheint es fast absurd, aber: Moskaus Truppen bereiten sich laut Beobachtern an mehreren Frontabschnitten auf größere Offensiven vor. 

Die aktuell bedeutendste Offensive der Russen läuft derzeit in der Region der Stadt Bachmut (im Newsletter Thema hier). Seit Monaten versuchen dort Wagner-Söldner erfolglos und unter hohen Verlusten die ukrainischen Linien zu durchbrechen. Nun kommen Verbände mit erfahrenen Soldaten hinzu und Rekruten. Die Kämpfe sind an Intensität mit denen aus dem Sommer in Sjewjerodonezk zu vergleichen. 

Wo Russland jetzt verstärkt in die Offensive gehen könnte
Wo Russland jetzt verstärkt in die Offensive gehen könnte

© Tsp

Knapp 100 Kilometer südwestlich von Bachmut versuchen die russischen Truppen, den Ring um die von ihnen gehaltene Stadt Donezk zu vergrößern. Die Stadt mit knapp einer Million Einwohnern ist das Verwaltungszentrum der gleichnamigen Region. Hohe ukrainische Beamte spekulierten darüber, dass im Falle einer Einnahme von Donezk durch ukrainische Truppen Russlands gesamte Armee so moralisch angeschlagen sein könnte, dass sie nicht mehr kampffähig ist.

Auch noch weiter südwestlich in Wuhledar und an einzelnen Punkten entlang der Frontlinie nach Saporischschja sollen sich russische Kräfte sammeln. Die Gegend um Wuhledar ist auch eines der Zentren des russischen Artillerie- und Raketenbeschusses. Auch hier könnte - wie in Donezk - das russische Kalkül sein: Angriff ist die beste Verteidigung. Denn auch die Ukraine scheint aktuell Truppen im Süden zusammenzuziehen, um einen größeren Vorstoß durchzuführen. Das mögliche Ziel: Die besetzten Gebiete in zwei Hälften zu teilen und so die Versorgung von Putins Truppen zu erschweren.

Mit den Vorbereitungen für die Offensiven scheint Russland auch seine Taktik anzupassen. Jedenfalls deuten darauf Videos in den sozialen Netzwerken hin. Statt mit schwerem Gerät anzugreifen (also Panzern, Artillerie und anderem) versuchen nun große Gruppen von Infanteristen, die ukrainischen Stellungen zu überrennen (Quelle hier). Die Verluste dabei sind enorm.

Aber tatsächlich gibt es auch kleinere Erfolge. Einige Dörfer in der Nähe von Bachmut sollen die Russen zuletzt erobert haben. Ein Video zeigte, wie ukrainische Verteidiger solange ihre Position verteidigten, bis sie keine Munition mehr hatten. Dann gaben sie auf.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Russische Soldaten sprechen öffentlich über die unmenschlichen Bedingungen, unter denen sie in der Ukraine leben. Einer beklagt, dass die Einheiten von Ramzan Kadyrow viel besser behandelt würden. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Offenbar lehnen immer größere Teile der russischen Bevölkerung den Krieg in der Ukraine ab. Das geht aus Meinungsumfragen hervor, die dem Online-Medium „Meduza“ vorliegen. Demnach würden 55 Prozent der befragten Russinnen und Russen Friedensgespräche mit der Ukraine befürworten. Mehr hier.
  • Nach der Explosion einer Briefbombe in der Botschaft der Ukraine in Madrid hat auch die spanische Regierung den Erhalt einer gefährlichen Sendung bekannt gegeben. Daneben erhielten auch die US-Botschaft und andere Einrichtungen Briefbomben. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Die US-Botschafterin in Deutschland, Amy Gutmann, sieht wenig Aussichten für ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine. „Wir haben derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass Putin bereit wäre zu verhandeln“, sagte Gutmann der „Sächsischen Zeitung“. Mehr dazu in unserem Newsblog.
  • Der Bürgermeister von Kiew ruft die Bevölkerung auf, sich Wasser, Lebensmittel und warme Kleidung für den Fall eines kompletten Stromausfalls als Vorräte anzulegen. Wer die Möglichkeit dazu habe, solle schauen, ob er bei Freunden in den Vororten der Hauptstadt unterkommen könne, sagt Vitali Klitschko. Unter Verweis auf die russischen Luftangriffe spricht er von der Gefahr eines völligen Ausfalls von Strom, Wasser, Abwasser und Heizung.
  • Ukrainische Flüchtlinge müssen sich in Wales künftig an den Kosten für Mahlzeiten und Wäsche beteiligen. Dies gelte nach einer fünfwöchigen Übergangszeit nach Ankunft, teilte die Regierung des britischen Landesteils am Donnerstag mit. Es gehe um 25 bis 37 Pfund (29 bis 43 Euro) je Woche, abhängig von der Familiengröße, berichtete das Portal „Wales Online“.
  • Die Europäische Kommission ruft Unternehmen und Bürger dazu auf, Laptops, Smartphones und Tablets an die Ukraine zu spenden. Die gespendeten Geräte sollen Schulen, Krankenhäusern und Behörden in den am meisten vom Krieg betroffenen Regionen zugutekommen, wie aus einer Mitteilung hervorgeht. 
  • Russland hat die Entscheidung des Bundestages scharf kritisiert, die Hungersnot in der Ukraine in den Jahren 1932/33 als sowjetisch verordneten Völkermord anzuerkennen. Dies sei als antirussische Provokation zu werten, teilte das russische Außenministerium mit. 
  • Russland hat offenbar Mühe, illegal annektierte Gebiete in der Ukraine in die Russische Föderation zu integrieren. Das berichtet das „Institute of the Study of War“ (ISW). Der Prozess laufe chaotisch ab und zeige, dass die Annexion nicht gut vorbereitet gewesen sei.
  • Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat erneut vor einer Eskalation und Ausweitung des Ukraine-Krieges gewarnt. Bei einem Treffen mit EU-Ratspräsident Charles Michel sagte Xi Jinping nach Angaben des Staatsfernsehens, auch müssten die Nebenwirkungen des Kriegs kontrolliert werden. 
  • Die massiven russischen Raketenangriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur sind nach britischer Einschätzung Teil eines neuen Pfeilers der russischen Militärdoktrin. Es handele sich vermutlich um das erste Mal, dass Russland sein Konzept eines strategischen Einsatzes zur Zerstörung kritischer Ziele umzusetzen versuche, teilte das Verteidigungsministerium mit. 
  • Das russische Innenministerium hat den bekannten Anwalt Ilja Nowikow zur Fahndung ausgeschrieben. Gegen Nowikow sei ein Strafverfahren eingeleitet worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti, ohne näher auf die konkreten Vorwürfe einzugehen.
  • 40.000 Fälle von Kriegsverbrechen hat das ukrainische Justizministerium nach eigenen Angaben inzwischen registriert. Ziel sei, zwei Straftaten konkret zu verfolgen: „die der völkerrechtswidrigen Aggression und die des Genozids“, sagte Justizminister Denys Maljuska im Interview der „Welt“.
  • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Notwendigkeit von Waffenlieferung an die Ukraine betont. „Ich zweifle keinen Augenblick daran“, sagte er dem „Stern“. „Und trotzdem kann man das nicht leichtfertig beklatschen, wenn man sich klarmacht, dass von den 300.000 russischen Rekruten ein großer Teil verletzt oder sterben wird - auch durch Waffen, die wir geschickt haben.“

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