zum Hauptinhalt
Leichen getöteter Zivilisten werden in Butscha am Stadtrand von Kiew geborgen.

© Valeria Ferraro/Zuma Press/dpa

Update

Ukraine untersucht 5600 Gräueltaten: „Putin ist der Hauptkriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts“

Die Ukraine und der Westen sehen immer mehr Beweise für Gräueltaten russischer Truppen. Allein in der Region Kiew sollen bislang 1222 Tote geborgen worden sein.

Die Ukraine hat seit Beginn der russischen Invasion Ermittlungen zu 5600 mutmaßlichen Kriegsverbrechen eingeleitet. Sie richteten sich gegen 500 Verdächtige aus den Reihen des russischen Militärs und der Regierung in Moskau, unter ihnen Kreml-Chef Wladimir Putin, sagte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa am Sonntag dem britischen Sender Sky News. "Wladimir Putin ist der Hauptkriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts." Wenediktowa nannte in dem Interview die Zahl von bislang 1222 geborgenen Toten "allein in der Region Kiew".

Wenediktowa verwies zudem auf den Raketenangriff auf den Bahnhof von Kramatorsk in der Ostukraine, bei dem am Freitag nach ukrainischen Angaben 52 Menschen getötet worden waren. "Das ist ein Kriegsverbrechen", sagte die Generalstaatsanwältin.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Es lägen Beweise dafür vor, dass Russland hinter dem Angriff stecke. "Diese Menschen wollten nur ihr Leben retten, sie wollten evakuiert werden", sagte sie mit Blick auf die hunderten Flüchtlinge, die sich in dem Bahnhof aufgehalten hatten. Russland behauptet dagegen, es habe sich um eine ukrainische Rakete vom Typ "Totschka-U" gehandelt.

Die russische Armee hatte sich vor rund einer Woche aus der Region rings um die ukrainische Hauptstadt Kiew zurückgezogen und stellt sich derzeit im Osten der Ukraine neu auf. In den nahe Kiew gelegenen Orten herrschten nach dem Abzug der russischen Truppen dramatische Zustände.

Erste Berichte am vergangenen Wochenende über möglicherweise hunderte getötete Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha hatten international für Entsetzen gesorgt. Im Laufe der Woche häuften sich ähnliche Schilderungen aus weiteren Orten wie Irpin oder Borodjanka.

Moskau bestreitet jegliche Verantwortung für die Tötungen und spricht von gefälschten Fotos und Videos. Material wie Satellitenaufnahmen und Mitschnitte von abgehörter Funkkommunikation legen aber eine Verantwortung russischer Soldaten nahe.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in der vergangenen Woche erklärt, es sei ein "spezieller Mechanismus" zur Untersuchung russischer "Kriegsverbrechen" in der Ukraine geschaffen worden.

Er kündigte an, alle Verantwortlichen zu finden und zu bestrafen. An den Ermittlungen sollen sich nach Angaben Selenskyjs internationale Experten, Staatsanwälte und Richter beteiligen. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hatte Anfang März Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgenommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj „die abscheulichen Kriegsverbrechen des russischen Militärs“ im Kiewer Vorort Butscha und anderswo in der Ukraine.

Er habe den Menschen in der Ukraine die Solidarität und volle Unterstützung Deutschlands ausgesprochen, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Sonntag mit. Die Bundesregierung werde zusammen mit ihren internationalen Partnern alles daran setzen, dass die Verbrechen schonungslos aufgeklärt und die Täter identifiziert würden, um sie vor nationalen und internationalen Gerichten zur Verantwortung zu ziehen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich am Samstag nach ihrem Besuch in dem Kiewer Vorort Butscha erschüttert über das Vorgehen der russischen Armee dort gezeigt. "Mein Instinkt sagt: Wenn das kein Kriegsverbrechen ist, was ist dann ein Kriegsverbrechen? Aber ich bin eine gelernte Ärztin und das müssen nun Juristen sorgfältig ermitteln", sagte sie auf der Rückreise von Kiew nach Polen vor Journalisten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auch der außenpolitische Sprecher der EU, Josep Borrell, hatte zuvor ebenso wie die USA Russland für den Angriff auf den Bahnhof im ostukrainischen Kramatorsk verantwortlich gemacht. Borrell sprach von einem Kriegsverbrechen und schrieb in einer Mitteilung, die EU sei zutiefst schockiert von Russlands Angriff. "Das war ein brutaler, wahlloser Bombenangriff auf unschuldige Zivilisten, darunter viele Kinder, die auf der Flucht waren aus Angst vor einem weiteren russischen Angriff auf ihre Heimat und ihr Land." Die Verantwortlichen für dieses Kriegsverbrechen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

"Die von den russischen Streitkräften begangenen Gräueltaten in Butscha, Borodjanka und anderen Städten und Dörfern, die jüngst durch die ukrainische Armee von der russischen Besatzung befreit wurden, sowie der brutale Angriff auf den Bahnhof von Kramatorsk sind Teil der verwerflichen Zerstörungstaktiken des Kremls", hieß es weiter.

Mehr zum Ukraine-Krieg bei Tagesspiegel Plus:

Pentagon-Sprecher John Kirby hatte zuvor erklärt: "Unsere Einschätzung ist es, dass das ein russischer Angriff war und dass sie eine ballistische Kurzstreckenrakete genutzt haben, um ihn auszuführen."

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat am Wochenende die Menschen im Land aufgerufen, mutmaßliche Kriegsverbrechen russischer Soldaten zu melden. Dafür sei nun eine eigene Homepage eingerichtet worden, schrieb Kuleba auf Twitter. „Die gesammelten Beweise für die von Russlands Armee in der Ukraine begangenen Gräueltaten werden sicherstellen, dass diese Kriegsverbrecher der Justiz nicht entkommen können“, erklärte er. Auf der Seite wurden bislang neben Fotos auch Berichte von Augenzeugen veröffentlicht, die die Ermordung, Folter und Vergewaltigung von Zivilisten schildern. (AFP/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false