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„Umfassend rehabilitiert“: Karlsruhe urteilt nicht zu sogenannter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche
Das höchste deutsche Gericht hat die Verfassungsbeschwerde der Ärztin Hänel nicht zur Entscheidung angenommen. Begründet wird dies mit der geänderten Rechtslage.
Stand:
Ein jahrelanger juristischer Streit ist zu Ende: Das frühere Verbot der sogenannten Werbung für Schwangerschaftsabbrüche kommt nicht auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Durch die rückwirkende Aufhebung der Vorschrift durch den Gesetzgeber im Juli 2022 habe sich ein diesbezügliches Rechtsschutzbedürfnis erledigt, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss.
Damit nahm es eine Beschwerde der Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel nicht zur Entscheidung an. (2 BvR 390/21)
Hänel hatte öffentlichkeitswirksam über Jahre für die Abschaffung des Paragrafen gekämpft. Sie hatte auf der Internetseite ihrer Praxis Informationen über die medizinischen Möglichkeiten einer Abtreibung zum Abruf bereitgestellt. Zudem informierte sie darüber, welche Methoden sie selbst anbietet.
Bundestag stimmte im Juni 2022 für Wegfall von Paragraf 219a
Abtreibungsgegner stellten deswegen Strafanzeige gegen sie. Amts- und Landgericht Gießen sowie das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilten die Ärztin zuletzt zu einer Geldstrafe von 2500 Euro. Hintergrund ist der frühere Paragraf 219a Strafgesetzbuch. Danach machte sich strafbar, wer Schwangerschaftsabbrüche „öffentlich“ und zudem „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ anbietet.

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Gegen ihre Verurteilung und diesen Paragrafen legte Hänel Verfassungsbeschwerde ein. Inzwischen wurde der Paragraf 219a allerdings vollständig und auch rückwirkend aufgehoben. Damit habe sich das Rechtsschutzziel Hänels erledigt, entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Es nahm die Beschwerde daher nicht zur Entscheidung an. Hänel sei durch die Gesetzesänderung „umfassend rehabilitiert“.
Eine neuerliche Verurteilung scheide wegen der Streichung des Paragrafen aus. Ein allgemeines Interesse, die Verfassungsmäßigkeit alten Rechts klären zu lassen, bestehe grundsätzlich nicht.
Hänel hatte weiter angegeben, ihr sei die gezahlte Geldstrafe bislang noch nicht wieder erstattet worden. Zwar hätte das Geld der Ärztin eigentlich „von Amts wegen“ unaufgefordert erstattet werden müssen, betonte hierzu das Bundesverfassungsgericht. Es sei ihr aber zuzumuten, dies notfalls auch vor Gericht zu betreiben.
Der Bundestag hatte im Juni vergangenen Jahres mit großer Mehrheit die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch beschlossen. Abgeordnete der SPD, der Grünen, der FDP sowie der Linken stimmten für den Wegfall von Paragraf 219a, Union und AfD dagegen.
Nach dem Gesetz sollen Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche im gesetzlichen Rahmen vornehmen, künftig nicht länger mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen müssen, wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs bereitstellen.
Zum anderen sollen Frauen leichter Zugang zu sachgerechten fachlichen Informationen erhalten. Hänel hatte damals zu den Gästen auf der Tribüne des Bundestags gehört. Ihre Verurteilung 2017 hatte die Debatte mitausgelöst. (AFP, KNA, dpa)
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