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Atompolitik: Unanständiges Angebot in der Endlager-Debatte

Hessens Ministerpräsident signalisiert Entgegenkommen in Sachen Gorleben – für ihn bleibt das folgenlos. In Hessen gibt es keine Gesteine, die sich für Atommüll eignen.

Berlin - Wenn 2017 feststehen sollte, dass der Salzstock in Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Müll nicht geeignet ist, dann müsse man überall in Deutschland nach einem geeigneten Standort suchen. Das hat Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. „Es kann ja wohl nicht sein, dass wir das Sankt-Florians-Prinzip zur Grundlage unserer Politik machen“, sagte er. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagt nichts anderes, wenn er seinen Beschluss verteidigt, die Erkundung des niedersächsischen Salzstocks wieder aufzunehmen. Zur Nachricht wird der Satz von Bouffier nur deshalb, weil die Atomländer im Süden bisher jede alternative Standortsuche unabhängig von der Eignung Gorlebens als Endlager stets ausgeschlossen haben. Dass etwas anderes als eine Eignung festgestellt werden könnte, ist in Stuttgart und München nicht vorgesehen.

Allerdings hat Volker Bouffier leicht reden. Denn Hessen ist neben Nordrhein- Westfalen, den Stadtstaaten sowie Sachsen und Thüringen das Bundesland, in dem die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) bisher keine Anhaltspunkte für ein geeignetes Atommüllendlager hat finden können. Dagegen verfügen Baden-Württemberg und Bayern im Grenzgebiet zwischen den beiden Ländern in der Nähe von Ulm durchaus über Tongesteinsschichten, deren Eignung für ein Endlager zumindest ohne genaue Erkundung nicht auszuschließen ist. Schon als die BGR diese Erkenntnis 2007 zum ersten Mal veröffentlicht hat, brach ein Sturm der Entrüstung los. Seither sind die Verantwortlichen in den Südländern noch überzeugter davon, dass Gorleben ein geeigneter Standort sein muss. Außerdem hätten die Atomkonzerne dort schon 1,5 Milliarden Euro investieren müssen, argumentieren sie.

Die Debatte in Gang gebracht hat der niedersächsische Umweltminister Hans- Heinrich Sander (FDP), der nach der Ankunft des schwer umkämpften Castor-Transports Anfang dieser Woche laut über mögliche Alternativen für die Zwischenlagerung nachgedacht hat. Außerdem verlangt Niedersachsen angesichts der hohen Kosten für den Polizeieinsatz – die Rede ist von mehr als 23 Millionen Euro – etwas mehr Solidarität seitens der Länder, in denen Atomkraftwerke betrieben werden. Wohl deshalb hat Bouffier schon am Donnerstag erkennen lassen, dass er über eine Zwischenlagerung von Wiederaufarbeitungsabfällen aus den französischen Atomfabriken La Hague oder Sellafield womöglich mit sich reden ließe. „Wenn ein Zwischenlager gesucht wird, können wir als Hessen nicht sagen, überall, nur nicht bei uns“, hatte er dem Hessischen Rundfunk gesagt. Seine Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) freilich zitiert wie ihre Kollegen in Stuttgart und München, Tanja Gönner (CDU) und Markus Söder (CSU), die aktuelle Rechtslage: Demnach sind Einlagerungen in den Standortzwischenlagern nicht vorgesehen.

Tatsächlich hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in den Standortzwischenlagern lediglich die Lagerung der abgebrannten Brennelemente aus den dazugehörigen Atomkraftwerken genehmigt. Und durch die von der Bundesregierung und dem Bundestag beschlossene Laufzeitverlängerung um acht Jahre für die beiden Uraltmeiler in Biblis dürfte es im zugehörigen Zwischenlager ohnehin eng werden. Die Bundesregierung hat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) Mitte September zwar geantwortet, dass sie bei einer Laufzeitverlängerung von zehn Jahren bei einem vollen Leistungsbetrieb keine Kapazitätsprobleme in den Zwischenlagern sehe. Allerdings müssen noch weitere 27 Castoren aus Frankreich und England zurückgenommen werden. Und für die dürfte in Biblis kaum Platz sein, selbst wenn nachträglich eine Genehmigung für deren Lagerung erteilt würde.

Doch zunächst wird in Gorleben erst einmal weiter erkundet. Anfang der Woche hat das Landesbergamt Niedersachsen Sofortvollzug dafür angeordnet. Allerdings ist die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE), die im Auftrag des BfS die Erkundung leitet, derzeit noch nicht arbeitsfähig. Erst Anfang des Monats sind weitere Stellen dafür ausgeschrieben worden. Bis im Salzstock tatsächlich wieder gegraben wird, dürften also noch ein paar Wochen vergehen.

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