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Bärbel Bas und Friedrich Merz müssen in der Koalition zusammenfinden, haben aber Probleme mit Teilen der jeweils eigenen Partei.

© Imago/Bearbeitung Tagesspiegel

Ungerecht und teuer?: Der Streit um die Rente wird permanent falsch erklärt

Die Rentendebatte ist so eskaliert, dass manchen gar das Ende der Regierung denkbar scheint. Doch oft wird falsch dargestellt, worum es überhaupt geht. Die Fakten, einmal geradegerückt.

Stand:

Im Rentenstreit zeichnet sich noch keine Lösung ab. Da die Fraktionen von Union und SPD erst kommende Woche wieder in Berlin zusammenkommen, wird eine Einigung ohnehin frühestens dann erwartet. Bis dahin sucht man primär in der Unionsspitze weiter nach einem gesichtswahrenden Ausweg für Kanzler, Fraktionschef und Junge Gruppe.

Unterdessen wird weiter spekuliert, wie eine Lösung aussehen könnte: Ein Entschließungsantrag dürfte die Rentenrebellen kaum überzeugen, schließlich handelt es sich lediglich um eine Handlungsaufforderung an die Regierung und nicht um eine Verpflichtung. Ein Begleittext im Gesetz kommt schon eher infrage, allerdings ist auch der nicht bindend. Änderungen am Rentenpaket schließt die SPD bisher aus.

Finden die Koalitionsspitzen keine Lösung, droht die für Dezember geplante Abstimmung zu kippen. Aus dem Sachstreit um das Rentenpaket von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ist somit längst eine Macht- sowie Schicksalsfrage für die Koalition geworden. Dabei werden vor allem zwei Zahlen häufig falsch dargestellt.

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Rentenniveau von 48 Prozent

Eine davon ist das Rentenniveau. In den späten 1970ern betrug es einmal fast 60 Prozent, heute sind es 48 Prozent. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, es bis 2031 auf diesem Niveau zu halten. Andernfalls würde es ab 2029 darunterfallen.

Der Vorwurf seitens der Jungen Gruppe an die Arbeitsministerin ist: Sie habe auch über 2031 hinaus festgelegt, wie hoch das Rentenniveau ist. Stellenweise wird sogar behauptet, sie würde es bis 2040 auf 48 Prozent halten wollen. Ersteres ist teilweise, Letzteres völlig falsch.

Denn tatsächlich ist das Rentenniveau laut dem Gesetzentwurf von Bas auch nach 2031 und bis 2040 ein Prozentpunkt höher als nach heute geltendem Recht. Doch dabei handelt es sich lediglich um eine Projektion, also eine Schätzung auf Basis von Berechnungen. Bas setzt für die Zeit nach 2031 ein Niveau von 48 Prozent an, bis 2040 würde es ohne weitere Maßnahmen auf 46 Prozent sinken.

Die Junge Gruppe will für die Projektion nach 2031 auf einem Niveau von 47 Prozent ansetzen: Zwar bekennt sie sich zu der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahme der Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031 auf 48 Prozent.

Es soll dann aber nicht von diesem Wert aus weitergerechnet werden, sondern es soll berechnet werden, welches Niveau sich ohne die Garantie ergeben hätte. Das wären ungefähr 47 Prozent. Von diesem Punkt aus würde das Rentenniveau bis 2040 auf 45 Prozent sinken.

Anders als häufig dargestellt, verbirgt sich dahinter zudem nicht, dass die Rente in etwa halb so hoch ist wie das letzte Einkommen. Stattdessen handelt es sich dabei um eine Rechengröße: Ein durchschnittlicher Rentner (45 Beitragsjahre) erhält im Ruhestand 48 Prozent des durchschnittlichen Lohns. Das hieße aktuell rund 1835 Euro monatlich.

25
Prozent des Etats macht der Bundeszuschuss zur Rente heute aus.

Die reale Rente ist für viele Menschen häufig geringer: Im bundesweiten Durchschnitt liegt sie für Rentner bei 1346 Euro, für Rentnerinnen bei 900 Euro. Was das für den einzelnen Ruheständler bedeutet, hängt vom Lohnniveau, den Beitragsjahren sowie davon ab, ob es weitere Alterseinkommen etwa aus einer betrieblichen oder privaten Vorsorge gibt.

Für etwa die Hälfte der Seniorinnen und Senioren in Deutschland ist die gesetzliche Rente die einzige Einkommensquelle. Im Osten ist sie es sogar für rund drei Viertel der Menschen. Eine wachsende Lücke zwischen Durchschnittsrente und Durchschnittslohn würde die Sicherung des Lebensstandards im Alter gerade für sie erschweren oder sie gar in die Grundsicherung treiben, warnen Rentenexperten.

Mehrkosten von 120 Milliarden Euro

Die Junge Gruppe wirft Bas vor, mit ihrem Manöver zusätzliche Kosten von rund 120 Milliarden Euro zu verursachen. Ihr Vorsitzender Pascal Reddig (CDU) sprach etwa von einer „dauerhaften Milliardenlast auf den Schultern der jungen Generation“. Andere sehen dadurch gar die Tragfähigkeit des gesamten Rentensystems gefährdet. Auch diese Warnungen halten Rentenexperten für überzogen.

Zwar macht der Bundeszuschuss zur Rente schon heute ein Viertel des Etats aus – das Ifo-Institut rechnet für 2026 mit rund 128 Milliarden Euro. Gleichwohl wird er von allen Steuerzahlenden, also nicht nur den jungen, finanziert. Setzt man den Anteil zudem ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, ist er in den vergangenen zwanzig Jahren gesunken: von 3,5 Prozent (2003) auf 2,7 Prozent (2024). Über die neun Jahre ab 2032 gerechnet würden sich die Mehrkosten auf 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen.

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