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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg räumt im Bundestag erneut Fehler in seiner Doktorarbeit ein, schließt einen Rücktritt aber aus. Er habe eine "offensichtlich sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben", sagt er in der Fragestunde des Parlaments. Den Vorwurf einer Täuschung weist Guttenberg erneut zurück. "Ich habe mehrfach gesagt, dass ich diese Doktorarbeit persönlich geschrieben habe", betont er.
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Update

Plagiats-Affäre: Uni Bayreuth erkennt Guttenberg den Doktortitel ab

Erst der Schlagabtausch im Bundestag, dann die Aberkennung des Doktortitels: Karl-Theodor zu Guttenberg räumt Fehler ein, will aber trotzdem im Amt bleiben.

Die Universität Bayreuth hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Doktortitel aberkannt. Das teilte Hochschulpräsident Rüdiger Bormann am Mittwochabend nach einer Sitzung der Promotionskommission der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät mit. Guttenberg habe wissenschaftliche Standards "objektiv nicht eingehalten", sagte Bormann. Auch Guttenberg bestreite das nicht. Man habe ihm die Entscheidung per Pressemitteilung mitgeteilt. Die wörtliche und sinngemäße Übernahme von Textstellen ohne hinreichende Kennzeichnung verstoße gegen die Rechtsprechung und die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens, erläuterte Bormann. Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes habe man dahinstehen lassen können. "Wir brauchen nicht zu prüfen, ob die ganze Arbeit ein Plagiat ist", sagte der Universitätspräsident.

Am Nachmittag hatte sich der Verteidigungsminister in einer "Aktuellen Stunde" des Deutschen Bundestages seinen Abgeordnetenkollegen gestellt. Ein Sitz blieb dabei leer auf der Regierungsbank. Er ist etwas erhöht und einer Person vorbehalten: der Kanzlerin. Die aber verfolgte die Fragestunde nicht von ihrem angestammten Platz aus. Sie ist in Friedrichshafen, mittelständischen Unternehmern die Hand schütteln. In Baden-Württemberg ist Wahlkampf, das ist wichtig.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der kein Doktor mehr sein will, ist an diesem Mittwoch geladen, um Fragen zu seiner fragwürdig gewordenen Dissertation zu beantworten. Er hat sich für den Termin Ernsthaftigkeit verordnet. Kein Lachen, keine Witze, keine Anspielungen auf Original und Fälschung. Im hellgrauen Anzug steht er an der Regierungsbank. Um ihn herum seine Kabinettskollegen, als wären sie sein persönlicher Schutzschild in diesem Sturm der Entrüstung.

"Ich habe ein schlechtes Signal ausgesendet", sagt Guttenberg und erntet Applaus – von seiner Fraktion, von der Regierungsbank. Guttenberg spricht ruhig, versucht nachzuzeichnen, wie es zu den Fehlern kommen konnte. Wie es auch überhaupt zu dieser unsagbaren Woche für ihn kommen konnte. Von den ersten Vorwürfen habe er am Dienstag erfahren, dann sei er planmäßig nach Afghanistan geflogen, und am Wochenende habe er sich seine Arbeit angesehen und sei zu der Erkenntnis gelangt, die er am Montagabend in Kelkheim vorgetragen hat: Dass in der Arbeit auch "Blödsinn" stehe.

Die Entrüstung über jenen Auftritt war groß. Vom Betrug, der hoffähig werde, war die Rede. Mit leichter Hand habe er die Affäre von sich schütteln wollen. An diesem Mittwochnachmittag will er es etwas besser machen. Von einem "schmerzhaften Schritt" berichtet er. Von Fehlern. Sogar von Überlastung. Schließlich habe er die Quadratur des Kreises hinzubekommen versucht. "Ich wollte die intellektuelle Herausforderung, den Politikbetrieb und das Leben als junger Familienvater unter einen Hut bringen", sagt Guttenberg und fügt hinzu: "Das ist mir nicht gelungen." Deshalb habe er auf seinen Doktortitel verzichtet. "Ich glaube, das ist kein Grund zur Häme", fügt er an. Die Opposition schert sich nicht um diese Warnung. Er erntet für seine Äußerungen vor allem eines: Gelächter. Es wird laut im Plenum.

Er hat sich überall entschuldigt, reicht das denn nicht?

Immerhin könnte dieser sonnige Nachmittag zu einer Sternstunde der Opposition werden. Für das ganze Parlament. Ein angeschlagener Minister steht nicht den Medien zum ersten Mal Rede und Antwort, was in der Mediendemokratie mittlerweile gang und gäbe geworden ist, sondern dem Deutschen Bundestag. Doch Jürgen Trittin versucht es lieber erst mal mit Humor. Unentwegt redet er den Verteidigungsminister mit Herrn "Dr." zu Guttenberg an. Er will wissen, was der Herr "Dr." der Frau "Dr." Merkel versprochen habe am vergangenen Donnerstag im Kanzleramt. Und ob der Herr "Dr." die Plagiatsvorwürfe immer noch für "abstrus" halte, so wie er es am Mittwoch getan habe.

Guttenberg bleibt stoisch. Er lacht immer noch nicht. Dafür redet er davon, dass für ein Plagiat eine bewusste Täuschung vorliegen müsse. Das aber schließt Guttenberg aus. Diese Frage ist schwierig, aber wichtig. Denn Jurist mit dem ersten Staatsexamen, so viel ist klar, bleibt Guttenberg, und somit weiß er: "Das ist ein strafrechtlich relevanter Bereich." Von übler Nachrede spricht er.

Überhaupt versucht Guttenberg sich in der feinen Unterscheidung. Nicht ein Ehrenwort habe er abgegeben, sondern eine Ehrenerklärung. Mit Ehrenworten ist das in der Union seit Helmut Kohl und der Spendenaffäre so eine Sache. Und auch in einem anderen Punkt versucht es Guttenberg genau zu nehmen. Den Analysen des wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag. Vier davon soll er verwendet haben – ohne sie richtig gekennzeichnet zu haben. Guttenberg macht nun etwas, was er sonst bei keiner Rede macht: Er kramt ein paar Zettel hervor. Darauf muss er sich vermerkt haben, wann er welchen Dienst in Anspruch genommen hat. Von Fußnote 564 auf Seite 199 spricht er. Das Datum habe er falsch gesetzt. Auch habe er einige Notizen von damals nicht mehr lesen können. "Die Bleistiftnotizen seien einfach zu unleserlich", erklärt er. Auch könne er nicht mehr sagen, ob er einen Antrag bei der Bundestagsverwaltung zur Veröffentlichung der Gutachten gestellt habe. "Dafür habe ich mich bereits beim Bundestagspräsidenten entschuldigt." Und wieder eine Entschuldigung. Punkt.

Ist Guttenberg nun gescheitert? Noch nicht. Dafür will er ja Rede und Antwort stehen. Und es gibt viele Nachfragen. Zum Beispiel die der Linken, ob Guttenberg ausschließen könne, dass nicht doch mehr als vier Gutachten des Bundestags-Dienstes in die Arbeit eingeflossen seien. "Nach den derzeitigen Erkenntnissen sind es vier", sagt Guttenberg.

Vier oder fünf – was macht das schon? Eine Menge, denn der Wissenschaftliche Dienst ist die Denkfabrik des Parlaments, finanziert vom Steuerzahler. 85 Mitarbeiter versorgen Parlamentarier mit Expertisen zu allen möglichen Themen. Und dieser Dienst darf ausschließlich im Rahmen ihrer Abgeordnetentätigkeit in Anspruch genommen werden. Das habe er getan, versichert Guttenberg. Und so ergeht Guttenberg sich an diesem Mittwochnachmittag eine halbe Stunde lang in ernsthafter Selbstverteidigung. Seine Glaubwürdigkeit sieht er nicht in Gefahr. Auch sieht er keinen negativen Einfluss auf die Moral an den Bundeswehr-Universitäten.

Einmal nur kommt der AC/DC-Guttenberg vom Montagabend in ihm durch. Als ein Zwischenrufer auf eine Frage der SPD-Abgeordneten Barbara Hendricks fragt, ob sie diese selbst angefertigt habe, grinst Guttenberg. Doch der Witz verhallt. Das Parlament ist an diesem Tag nicht zu vielen Scherzen aufgelegt. Immerhin steht in der Affäre Guttenberg nicht nur die Glaubwürdigkeit einer einzelnen Person, eines Ministers auf dem Spiel. Sondern einer ganzen Zunft. Somit ist der leere Stuhl auf der Regierungsbank dann doch mehr. Es ist auch eine Botschaft: Wir halten zu dir, aber diese Scherben musst du, KT, dann doch selbst einsammeln.

Oder – wie der Kongress christlicher Führungskräfte mitteilt, der Guttenberg zu einem Vortrag eingeladen hat und daran auch festhält, Schon Jesus habe doch gesagt: "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein." (mit dpa)

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