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Das Bild zeiht eine Kampfdrohne der US-Streitkräfte.

© dpa/U.S. Air Force/Tech. Sgt. Effrain Lopez

Update

Urteil des Verfassungsgerichts: Beschwerde zu US-Drohnenangriffen via Ramstein gescheitert

Karlsruhe hat über die Frage entschieden, ob Deutschland gegen das Völkerrecht verstößt, wenn die USA ihre Basis in Rheinland-Pfalz für Attacken im Ausland nutzen. Die Regierung begrüßt die Entscheidung.

Stand:

Die Bundesrepublik Deutschland verletzt nicht das Völkerrecht, wenn sie Drohneneinsätze der USA im Ausland, die über den rheinland-pfälzischen Stützpunkt Ramstein mit gesteuert werden, nicht schärfer kontrolliert oder unterbindet, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Mit dem am Dienstag verkündeten Urteil wies der Zweite Senat die Verfassungsbeschwerde von zwei im Jemen lebenden Staatsbürgern ab. Der Fall beschäftigte die deutsche Justiz seit mehr als zehn Jahren (Az. 2 BvR 508/21). Die Bundesregierung sieht sich nach der Zurückweisung einer Verfassungsbeschwerde gegen US-Drohneneinsätze, die technisch über die Air Base Ramstein in der Pfalz gesteuert werden, in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.

Die ganzen Daten zu den Drohnen hin und von den Drohnen zurück laufen über Ramstein.

Andreas Schüller, Rechtsanwalt vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)

Das Bundesverfassungsgericht stellte allerdings fest, dass Deutschland einen Schutzauftrag habe, nämlich die grundlegenden Menschenrechte und den Kern des humanitären Völkerrechts auch gegenüber Menschen im Ausland zu wahren. Es müsse unter anderem einen hinreichenden Bezug zur Staatsgewalt der Bundesrepublik geben, entschied das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe. Zweitens müsse eine ernsthafte Gefahr der systematischen Verletzung des anwendbaren Völkerrechts vorliegen.

Im konkreten Fall seien die Voraussetzungen für den konkreten Schutzauftrag allerdings nicht erfüllt, hieß es in der Begründung des Gerichts.

Die US-Streitkräfte hatten das Bundesverteidigungsministerium 2010 informiert, dass auf dem Gelände in Ramstein eine Satelliten-Relais-Station zur Steuerung auch waffenfähiger Drohnen im Ausland gebaut werde. Das Ministerium sah nach Gerichtsangaben keine Bedenken.

Im August 2012 kamen zwei Männer im Jemen durch einen US-Drohnenangriff ums Leben. Sie wurden bei einem Treffen mit drei mutmaßlichen Mitgliedern der Terrororganisation Al-Qaida getötet. 

Zwei Verwandte, jemenitische Staatsangehörige, haben sich in Deutschland durch die Instanzen geklagt und zuletzt Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Wegen der für die Einsätze bedeutenden Rolle der Militärbasis Ramstein sehen sie auch die Bundesregierung in der Verantwortung. Seit 2014 gehen die Kläger hierzulande rechtlich gegen die Drohneneinsätze der USA vor.

Gerichte bei Angriffen via Ramstein bisher uneins

Das Oberverwaltungsgericht Münster verurteilte die Bundesrepublik 2019 dazu, aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des Militärstützpunkts in Rheinland-Pfalz gegen Völkerrecht verstoßen. Das Bundesverwaltungsgericht kassierte diese Entscheidung aber im Jahr darauf. 

Es reiche nicht aus, dass Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei, argumentierte das Gericht. Es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden stattfinden, damit die grundrechtliche Schutzpflicht Deutschlands auch für Ausländer im Ausland gelte.

Zentrale Fragen fürs Verfassungsgericht

Am Bundesverfassungsgericht beriefen sich die Beschwerdeführer auf eben jenes im Grundgesetz festgeschriebenes Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Eine zentrale Frage war daher, ob und unter welchen Umständen der deutsche Staat zum Schutz des Lebens von im Ausland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit verpflichtet ist. 

Der Fall wirft mit Blick auf die Drohneneinsätze zudem Fragen zu humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten auf: Wann verliert eine Person ihren Schutz als Zivilist? Und wann und wo darf sie dann angegriffen werden? Laut den Beschwerdeführern handelte es sich bei den Getöteten um einen Polizisten und einen Geistlichen, der gegen Al-Qaida in der Region gepredigt hatte. 

Die Bundesregierung bestritt eine Schutzpflicht im vorliegenden Fall. Unter anderem liege kein qualifizierter Bezug zum Inland vor. Zur Nutzung der Air Base Ramstein befinde man sich mit den USA in einem „fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog“, hatte das Verteidigungsministerium zur Verhandlung im Dezember erklärt.

„Die Bundesregierung hat dabei wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.“

Kläger sahen weiter „Bedrohung für ihr Leben“

Den Klägern reichte das nicht aus. „Ohne Ramstein könnten die Drohnenüberflüge in der Zahl gar nicht stattfinden“, erklärte Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Beschwerdeführer unterstützt. Die US-Streitkräfte nutzten die Basis als Knotenpunkt im globalen Drohnenprogramm.

„Die ganzen Daten zu den Drohnen hin und von den Drohnen zurück laufen über Ramstein. Um das in Echtzeit steuern zu können, aus den USA, bedarf es Ramstein“, sagte Schüller. 

Entscheidung setzt ein wichtiges Signal für unser außen- und sicherheitspolitisches Handeln.

Erklärung von Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt

Die Beschwerdeführer wohnten demnach weiterhin im Jemen. Seit dem Angriff auf ihre Verwandte gebe es weiter kontinuierlich Drohnenüberflüge und auch immer wieder Angriffe in der Region, sagte Schüller. „Das ist für die Beschwerdeführer kein Zustand, in dem sie leben können und wollen. Es ist eine permanente psychische Bedrohung, eine Bedrohung für ihr Leben.“

Die Bundesregierung teilte am Dienstag nach der Entscheidung aus Karlsruhe mit, man begrüße die Entscheidung, „die ein wichtiges Signal für unser außen- und sicherheitspolitisches Handeln setzt“, erklärten das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt gemeinsam in Berlin.

Mit ihrer Entscheidung hätten die Richter bestätigt, dass der Bundesregierung bei der Beurteilung ein weiter Beurteilungsspielraum zustehe, wenn es um die Völkerrechtskonformität des Handelns dritter Staaten gehe.

Zugleich betonen die Ministerien, die Bundesregierung werde sich auch in Zukunft nicht zuletzt wegen des vom Bundesverfassungsgericht betonten Schutzauftrages für die Einhaltung des Völkerrechts und die Sicherheit aller Menschen auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Grundrechte einsetzen. (Reuters, dpa, Tsp)

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