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Der Angeklagte im Gericht

© REUTERS / WOLFGANG RATTAY

Urteil zum Tankstellen-Mord: Eine schrecklich gewöhnliche Tat

Lebenslange Haft, das Gericht hat offenbar das richtige Maß gefunden. Trotz Streits um eine Maske – um Corona-Politik ging es hier nicht.

Jost Müller-Neuhof
Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Stand:

Sie ist nicht zu erklären, diese Mordtat an der Tankstelle in Idar-Oberstein, schon gar nicht ist sie zu rechtfertigen, und es mag schon unangemessen erscheinen, noch Worte über den Täter zu verlieren. Mehr als ein hartes Urteil hat der Mann nicht verdient, der im Streit um die Corona-Maskenpflicht vor einem Jahr einen jungen Kassierer erschoss.

Das hat er bekommen. Lebenslange Haft. Das Landgericht hat dem Versuch der Verteidigung widerstanden, das unfassbare Geschehen mit Hinweis auf Blutalkoholwerte und Affektschwächen als bloßen Totschlag weichzuspülen. Klar genug im Kopf war der Mann offenbar, um in seinem Ärger darüber, dass er ohne Atemschutz kein Bier bekam, nach Hause zu eilen und seinen dort illegal aufbewahrten Revolver zu holen. Und nüchtern genug, um seinem bedauernswerten Opfer, für dieses unvorhersehbar, ohne jede Vorwarnung das Leben zu nehmen.  

Hier hat jemand nicht nur ein, er hat mit seiner Tat gleich zwei Leben zerstört

Jost Müller-Neuhof

Es mag ehrlich sein, dass der Mann sein Handeln heute bereut. Aber ein Grund für Milde kann das schlecht sein angesichts des damaligen Kalküls und der Tatsituation. Genau so etwas ist es, das Mord von Totschlag unterscheidet. Hier hat jemand nicht nur ein, er hat mit seiner Tat gleich zwei Leben zerstört. Viel spricht dafür, dass das Gericht das richtige Maß an Schuld getroffen, die richtige Strafe gefunden hat.

Der Ruf danach, noch härter zu strafen – mit Feststellung besonderer Schuldschwere, die eine Entlassung nach 15 Jahren hindert – ist verständlich. Es wirkt jedoch nicht wie ein „Mord plus X“, der sich hier ereignet hat; vielmehr wie ein, so verstörend es klingt, gewöhnlicher Mord.

Es gilt, des Toten zu gedenken und den Täter zu vergessen

Es sind gewöhnliche Umstände mit einer gewöhnlichen Person, die ihre gewöhnliche Wut mit brachialer Gewalt an einem unschuldigen Mitmenschen ausgelassen hat. Dass sich ein Haufen Chatverläufe fanden, in denen sich der Mann über Geflüchtete, Klimaschützer oder Coronaregeln empörte, spricht nicht gegen, sondern leider für diese schreckliche Gewöhnlichkeit. Die Tat von Idar-Oberstein gehört nicht in die Geschichtsbücher, sie ist kein Terrorismus und keine Politik. Es gilt, des Toten zu gedenken und den Täter zu vergessen.

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