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Die Polizei sichert das Zentrum von Istanbul, während die Spuren der Explosion beseitigt werden.

© Foto: AFP/Yasin Akgul

Update

17 Festnahmen nach Bombenschlag: Mutmaßliche Attentäterin von Istanbul soll Verbindungen zur PKK haben

Medien veröffentlichten am Montag Videos von der Festnahme der Tatverdächtigen. Bei der Explosion in Istanbul waren sechs Menschen getötet und über 80 verletzt worden.

Nach dem Bombenanschlag in der türkischen Metropole Istanbul mit sechs Todesopfern und über 80 Verletzten haben die türkischen Behörden eine Hauptverdächtige und 16 weitere Personen verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem vorsätzliche Tötung und die „Verletzung der staatlichen Einheit“ vor, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag berichtete.

Zuvor hatten demnach mehrere Staatsanwälte 49 Verdächtige befragt, die im Zusammenhang mit dem Anschlag stehen sollen. Drei Verdächtige seien anschließend unter Auflagen freigelassen, 29 des Landes verwiesen worden. 

Der Staatssender TRT veröffentlichte am Montagmorgen ein Einsatzvideo von Sicherheitskräften, das eine auf dem Boden liegende mit Handschellen fixierte Frau zeigt.

Bei der Hauptverdächtigen handelt es sich der türkischen Polizei zufolge um eine syrische Staatsbürgerin. Laut Anadolu hat die polizeiliche Befragung der Frau ergeben, dass die 23-Jährige im Jahr 2017 durch ihren Partner mit der YPG in Kontakt gekommen ist.

Hauptverdächtige handelte auf Anweisung

Aus Sicht der Türkei ist die YPG Ableger der PKK und ebenfalls eine Terrororganisation. In einer Befragung mit der Staatsanwaltschaft gab die Frau an, am Tag des Anschlags auf Anweisung eines Mannes gehandelt zu haben, wie Anadolu berichtete. Er soll angeblich ebenfalls Mitglied der YPG sein.

Der Mann habe sie angewiesen, auf einer Bank zu warten und dann eine Tasche dort zurückzulassen. Nachdem sie dies getan habe, sei es zu der Explosion gekommen und sie sei weggelaufen. Gemäß ihrer Aussage wusste die Frau nichts von einer Bombe in der zurückgelassenen Tasche, wie Anadolu berichtete. 

Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste. Die Kurdenmiliz YPG wiederum wird von den USA nicht als Terrororganisation angesehen, sondern ist für sie Partner im syrischen Bürgerkrieg im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Die Attentäterin gestand nach Angaben der Polizei auch, über Syrien illegal in die Türkei eingereist zu sein und ihre Anweisungen in Kobane im Kurdengebiet im Nordosten Syriens bekommen zu haben.

Ankara lehnt US-Kondolenzwünsche ab

Bei dem Anschlag am Sonntagnachmittag starben nach offiziellen Angaben mindestens sechs Menschen, weitere 81 wurden verletzt. Vizepräsident Fuat Oktay sprach am Abend von einem „Terroranschlag“. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem „hinterhältigen Anschlag“ auf die Metropole, in der rund 16 Millionen Menschen leben.

Der türkische Innenminister Soylu richtete überraschend scharfe Worte an die USA. Er wiederholte seinen Vorwurf an Washington, „Terrororganisationen“ in Nordsyrien zu unterstützen und erklärte am Montag: „Wir nehmen die Kondolenzwünsche des amerikanischen Botschafters nicht an, wir weisen sie zurück.“

Das US-Konsulat und die Botschaft hatten den Anschlag scharf verurteilt und Opfern Beileid ausgesprochen, so auch die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre, die von einer „Gewalttat“ sprach. „Wir stehen im Kampf gegen Terrorismus Seite an Seite mit unserem Nato-Verbündeten Türkei“, erklärte sie weiter für das Weiße Haus.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock drückte ihr Mitgefühl aus. „Furchtbare Bilder kommen aus Istanbul“, erklärte die Grünen-Politikerin über Twitter. „Meine Gedanken sind bei den Menschen, die einfach nur an einem Sonntag auf der Einkaufsstraße Istiklal flanieren wollten und nun Opfer einer schweren Explosion wurden.“

Die Einkaufsstraße Istiklal ist ein touristischer Hotspot im Zentrum des europäischen Teils der türkischen Metropole, auf der auch am Sonntag häufig großes Gedränge herrscht. Ob Deutsche oder Angehörige anderer Nationen unter den Opfern waren, war zunächst unklar.

Regierung drosselt Social-Media-Plattformen

In türkischen Medien wurde die Berichterstattung zu dem Anschlag größtenteils eingestellt. Die Rundfunkbehörde Rtük verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre für Medien. Berichte über die Explosion sollten vermieden werden, um nicht für Angst und Panik in der Bevölkerung zu sorgen, hieß es in dem Schreiben am Nachmittag.

Die Behörde für Informationstechnologie und Kommunikation (BTK) reduzierte am Abend Berichten zufolge zudem die Bandbreite für Social-Media-Plattformen. Für Nutzer bedeutete das, dass Seiten deutlich langsamer oder nur noch via VPN erreichbar waren.

In der Türkei ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen gekommen - auch im Zentrum Istanbuls. 2016 hatte sich etwa ein Selbstmordattentäter auf der Istiklal in die Luft gesprengt und vier Menschen getötet, 39 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der türkischen Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Gruppe selbst bekannte sich damals nicht zu der Tat.

Auch die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verübt immer wieder Anschläge in der Türkei. Ihr Hauptquartier liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen. Ankara geht regelmäßig gegen die PKK vor und unterhält seit 2016 auch Militärposten im Nordirak.

Der seit 1984 andauernde Konflikt kostete bislang Zehntausenden Menschen das Leben. Ein Waffenstillstand war im Sommer 2015 gescheitert. (dpa, Tsp)

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