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Kundgebung der Pegida-Bewegung in Dresden
© epd

Angriffe auf Flüchtlinge in Deutschland: Verfassungsschutz: Grenzen zwischen Wutbürgern und Rechtsradikalen verwischen

Vor allem in Ostdeutschland radikalisieren sich die Bürger und mischen sich mit Rechten, sagt der Präsident des Verfassungsschutzes. Es gebe eine zunehmende Abkehr vom Rechtsstaat.

Der Bundesverfassungsschutz (BfV) beobachtet eine immer größere Gewaltbereitschaft normaler Bürger gegenüber Flüchtlingen. "Es gibt eine zunehmende Abkehr vom Rechtsstaat von Menschen, die den Rechtsstaat bisher mitgetragen haben", sagte der Präsident des BfV, Hans-Georg Maaßen, am Mittwoch vor dem Europäischen Polizeikongress in Berlin. "Das muss uns besorgen."

Wenn im Zusammenhang mit Angriffen auf Flüchtlingen von einem "braunen Mob" gesprochen werde, greife das zu kurz. "Die Asyldebatte führt vor allem im Osten Deutschlands zu einer Radikalisierung bürgerlicher Milieus, die sich mit der rechten Szene vermischen." Solche Wutbürger verübten selbst Straftaten oder beklatschten die Taten anderer. Hintergrund sei ein massiver Vertrauensverlust in das politische System und in die Medien. "Die berechtigen Sorgen weiter Teile der Bevölkerung angesichts der großen Herausforderungen durch die hohen Flüchtlingszahlen müssen ernst genommen werden."

Die "Migrationskrise", wie Maaßen sagte, sei derzeit der Agitationsschwerpunkt im deutschen Rechtsextremismus. Hauptmedium für die Hetze gegen Flüchtlinge sind demnach soziale Netzwerke im Internet. Dort würden unter anderem gezielte Falschmeldungen über angebliche Straftaten von Migranten verbreitet.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sprach am Mittwoch vor dem Europäischen Polizeikongress in Berlin.
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sprach am Mittwoch vor dem Europäischen Polizeikongress in Berlin.
© dpa

Die Teilnehmerzahlen von Kundgebungen mit rechtem Hintergrund habe sich vervielfacht. "Das sind alarmierende Zahlen." Diese Agitation schüre Ängste gegen Migranten, richte sich aber auch gegen Helfer und Journalisten. Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte habe sich mehr als verfünffacht. 2015 seien allein 74 Branddelikte gegen Flüchtlingsunterkünfte verübt worden.

Maaßen warnte gleichzeitig vor dem Einfluss islamistischer Gruppen auf Flüchtlinge in Deutschland. Vor allem Salafisten versuchten, unter dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe Kontakt zu Muslimen aufzunehmen, um sie zu rekrutieren. Auch in slafistischen Moscheen würden Flüchtlinge gezielt umworben. "Es steht zu befürchten, dass das Wirkungen zeigen wird", sagte Maaßen. Besonders anfällig seien unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die "mangelhafte Unterbringung und Versorgung" von Flüchtlingen und eine "mangelhafte Integration in den Arbeitsmarkt" mache Flüchtlinge allgemein anfällig für islamistische Propaganda. Viele Flüchtlinge kämen mit falschen Vorstellungen nach Deutschland und seien enttäuscht vom Leben hier; rechtsextremistische Angriffe frustrierten sie zusätzlich.

Wenig schwere Straftaten durch Flüchtlinge

Der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Michael Kretschmer, bestätigte die Entwicklungen. Er sprach von mehr als 1000 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte im vergangen Jahr. In diesem Jahr seien bereits 153 Straftaten verübt worden. Fast alle hätten einen rechtspolitischen Hintergrund. 78 Prozent der Täter seien zuvor nicht durch rechte Taten, 50 Prozent bisher gar nicht aufgefallen. "Die Asylproblematik hat eine Katalysatorfunktion für rechte Gewalt", sagte Kretschmer. Die Unsicherheit der Bevölkerung angesichts der Flüchtlingskrise sei verständlich, betonte er. "Doch drei Übergriffe pro Tag sind beschämend. Dafür kann es kein Verständnis geben."

2015 sei deutlich geworden, dass Globalisierung keine Einbahnstraße für Reisen in andere Länder sei, sagte der BKA-Vizepräsident. Die Zuwanderung nach Deutschland sei zuallererst ein humanitäres Phänomen. "Die Menschen kommen aus für uns kaum vorstellbaren Verhältnissen und stehen vor dem Nichts." Kretschmer äußerte sich auch zu den steigenden Kriminalitätsraten von in Deutschland lebenden Flüchtlingen. Angesichts der hohen Zuwanderungszahlen sei der Anstieg der von Flüchtlingen verübten Straftaten moderat, sagte er. Der Anteil schwerer Straftaten sei gering. So machten sexuelle Übergriffe lediglich 0,1 Prozent dieser Taten aus. Den weitaus größten Anteil hätten Delikte wie Schwarzfahren. Die Täter seien zumeist Migranten, die schon länger in Deutschland lebten. "Von den Flüchtlinge, die jetzt kommen, fallen nur wenige auf."

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