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Politik: Vergewaltigung als Waffe

Sunnitische Frauen im Irak klagen über Misshandlung durch schiitische Polizisten / Neue Anschläge mit Giftgas in Bagdad

Zwei bedrohliche Entwicklungen unterminieren den Versuch irakischer und amerikanischer Truppen, mit einer Offensive gegen Aufständische die Sicherheit in Bagdad zu verbessern. Erstens mehren sich die Klagen sunnitischer Frauen, sie seien von schiitischen Sicherheitskräften vergewaltigt worden. Sunnitische Kämpfer kündigten Angriffe an, um die Ehre der Frauen zu verteidigen.

Zweitens setzen Aufständische eine neue Terrorwaffe ein: das Giftgas Chlorin, berüchtigt aus dem Ersten Weltkrieg. Zum dritten Mal binnen weniger Tage wurde ein Anschlag mit einem chlorinbeladenen Tanklaster verübt. Die Detonation tötete mindestens drei Menschen und verletzte 25. Danach verbreitete sich eine Giftwolke über Westbagdad, viele Menschen mussten wegen Atembeschwerden ins Krankenhaus. Das Gas setzte Läden und Autos in Brand.

Die Debatte um angebliche Vergewaltigungen von Sunnitinnen durch schiitische Polizisten hat zu einem neuen Zerwürfnis zwischen Iraks Regierungschef Nuri al Maliki und der US-Armee geführt. Am Wochenende hatte eine Sunnitin den Vorwurf erhoben. Der Fall erregte Aufsehen, Musliminnen machen sexuelle Misshandlung selten öffentlich, da dies ihre Ehre beschädigt. Die US-Armee nahm die Frau in ein US-geführtes Krankenhaus in der „grünen Zone“ in Bagdad auf. Nach ihrer Entlassung schilderte sie in einem TV-Interview in Einzelheiten den Vergewaltigungsvorwurf. Mehrere arabische Sender zeigten es wiederholt.

Am Montag kündigte Maliki, der selbst Schiit ist, zunächst eine strenge Untersuchung an. Wenige Stunden später vollzog er eine Wende, behauptete, die Frau habe den Vorwurf erfunden, er kenne die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung. Er belobigte die betroffenen Polizisten und ordnete einen Prozess gegen die Frau an. Sein Büro verbreitete Auszüge aus dem angeblichen Arztbrief mit der handschriftlichen Feststellung: „keine Risse im Vaginalgewebe, keine erkennbaren Verletzungen“. Sie sagt, sie habe Schürfwunden am Kopf von der Mehrfachvergewaltigung.

Die US-Armee nimmt dazu offiziell nicht Stellung. Es sei nicht erlaubt, Krankenakten zu veröffentlichen. Ein Sprecher bestätigte, die Frau sei untersucht und mit einer Kopie des ärztlichen Befundes wieder entlassen worden. US-Medien erwecken den Eindruck, dass die USA eher auf der Seite der Frau stehen.

Der Fall hat die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten im Irak bedrohlich verschärft. Seit dem Wochenende meldeten sich weitere Sunnitinnen aus anderen Landesteilen mit dem Vorwurf, auch sie seien von schiitischen Sicherheitskräften vergewaltigt worden, die Informationen über Aufständische erzwingen wollten. Sunnitische Politiker betrachten die Fälle als Beweis, dass nun eine neue, schiitisch dominierte Diktatur herrsche.

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