zum Hauptinhalt
Die FDP hat ein neues Verkehrskonzept vorgelegt.

© stock.adobe.com/Fox_Dsign

Verkehrskonzept wie ein Aprilscherz : Die FDP brennt für Autos – nicht für die Menschen

Die Forderung der Liberalen nach kostenlosem Parkraum in Innenstädten verkennt die Lage im Land und die Interessen der Bevölkerung. Dafür gibt es nur eine Erklärung

Ariane Bemmer
Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Stand:

Haben vielleicht Teile der FDP gerade Urlaub im Raum Ellwangen gemacht? Die restaurierte und mit Blumen dekorierte Innenstadt des baden-württembergischen Örtchens ist bequem mit dem Auto zu erreichen, denn ein Parkhaus hält an deren Rand allzeit ausreichend Abstellplätze bereit. Kosten: keine. Und über eine kleine Holzbrücke kommt man direkt ins Altstadt-Flair.

Hach, sollte es nicht überall so sein?, könnte den Urlaubenden der Freiheitlichen da in den Kopf geschossen sein.

Falls es so war, sollte die Partei das jetzt schnell sagen. Das ließe sich nämlich als Begründung oder besser noch Entschuldigung heranziehen für den Pro-Auto-Anfall, den die FDP am Montag präsentierte.

Der vom Parteipräsidium beschlossene Fünf-Punkte-Plan mit dem Titel „Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto“ ist so derartig das Gegenteil von allem, was in den vergangenen Jahren in Sachen Verkehrspolitik für zukunftsträchtig gehalten und deshalb angestrebt wurde, dass er schon fast aprilscherzhaft daherkommt.

Die FDP will demnach kostenlose Autostellplätze in Deutschlands Innenstädten, wo das nicht geht: eine Park-Flatrate nach Vorbild des Deutschland-Tickets der Bahn. Dazu weniger Rad- und Fußwege und keine Fußgängerzonen aus „aus ideologischen Gründen“ mehr. Zudem enthält das Papier das Bekenntnis zur Formel 1 und fordert begleitetes Fahren schon ab 16.

Dass Innenstädte mit Autofreundlichkeit punkten, mag vorkommen, wenn sie wie Ellwangen in ländlichen Gegenden mit vielen kleinen Ortschaften liegen, in denen die Menschen schon zum anderen Ende der Dorfstraße mit dem Auto fahren, weil alles andere zu zeitaufwendig wäre.

Und es steht all diesen Orten schon heute längst frei, so viele Parkplätze gratis anzubieten, wie sie für sinnvoll halten. Parkraumbewirtschaftung ist Sache der Kommunen. Und da gehört sie auch hin.

Die überwiegende Zahl der Städte, vor allem die größeren, verfolgen allerdings seit geraumer Zeit völlig andere Wege in die Zukunft. Sie suchen nach Alternativen zum Autoverkehr.

Der macht nämlich Lärm, emittiert Schadstoffe, frisst Platz, ist potenziell lebensgefährlich. Und gerade in heißen Sommern ist er zudem eine sehr unwillkommene zusätzliche Wärmequelle.

Die Verkehrswende muss praktisch funktionieren

Das sind Umstände, die sich tagtäglich auf viel befahrenen Straßen besichtigen und am eigenen Leib spüren lassen. Weniger Auto ist darum auch im mehrfach ausgedrückten Interesse der Bevölkerung. Aber unter Bedingungen.

Und man muss feststellen, dass die nicht immer erfüllt werden. Die Bestrebungen, Innenstädte möglichst autofrei zu kriegen, laufen nicht ohne Probleme ab. Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen müssen vor allem gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sein, damit die Menschen gern dahinfahren. Es muss die Möglichkeit geben, große, schwere Einkäufe abzutransportieren, Lieferungen und Warentransporte müssen stattfinden. Die von der FDP monierten „ideologischen Gründe“ dürfen in der Tat nicht Regie führen.

Die Verkehrswende muss praktisch und alltagstauglich sein, dann wird sie akzeptiert und mehr noch: sogar begrüßt.

Man sollte meinen, gerade die FDP wisse das. Schließlich war es mit Volker Wissing ein Verkehrsminister aus ihren Reihen, der vor nicht allzu langer Zeit die Reform des Straßenverkehrsgesetzes in die Spur gebracht hat. Seit Juni können die Kommunen freier als früher Sonderfahrspuren für Linienbusse einrichten, Anwohnerparkgebiete und Tempo-30-Zonen ausweisen und Platz für Fuß- und Radverkehr bereitstellen. Alles im Dienste der Umwelt- und Klimapolitik und der Gesundheit.

Das neue Papier aus der FDP will auch dazu nicht so recht passen. Was also soll das?

Offenbar will sich die Partei noch ausdrücklicher jenen als Adresse anbieten, die immer wieder und zunehmend frustriert beklagen, dass die Anti-Auto-Politik für die ländlichen Regionen keine Alternative sei. Und all jenen, die in jedem Wort gegen den Pkw einen Schlag gegen sich selbst, ihre Lebensform oder ihr Weltbild sehen.

Dass die FDP-Spitze mehrfach das Attribut „ideologisch“ für die Politik der Anderen bemüht, um abzuqualifizieren, was ihrer Meinung nach aktuell schiefläuft, führt insofern auf die richtige Fährte, weil es auch die FDP selbst betrifft. Das Papier liest sich wie ein großes Anti-Manifest zu aktuellen Klimafragen und zur Transformation in der Autoindustrie. Und wahrscheinlich soll es genau das auch sein. Aber mit Zukunft hat das nichts mehr zu tun, das ist eher eine leer drehende Retro-Show.

Bei den Kommunalwahlen im Juni in Ellwangen hat es die FDP übrigens nicht über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })