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Verstrickt in Interessenkonflikte?: Das sind die Vorwürfe gegenüber Merz-Freund Wolfram Weimer
Die Firma des Kulturstaatsministers veranstaltet lukrative Gipfel von Politik und Wirtschaft. Wolfram Weimer will damit operativ angeblich nichts mehr zu tun haben. Trotzdem bleiben Zweifel.
Stand:
Nicht alles, was in der Vergangenheit über Wolfram Weimer berichtet wurde, entsprach der Wahrheit. Zum Beispiel ist es zwar richtig, dass ihn eine enge Freundschaft mit Friedrich Merz verbindet, der ein Haus am Tegernsee hat, wo Weimer wohnt. Die vor seinem Amtsantritt als Kulturstaatsminister erzählte Geschichte, nun arbeiteten die zwei Golfkumpel gemeinsam im Kanzleramt, stimmte so jedoch nicht. Denn Weimer spielt gar kein Golf.
Eine gewisse Vorsicht mahnen sie in der CDU nun auch an, da politisch sehr viel heiklere Dinge über den ins Kabinett berufenen Verleger berichtet werden. „Wer aus der Wirtschaft in die Politik wechselt – was ja durchaus wünschenswert ist – nimmt aus dieser Zeit fast zwangsläufig mögliche Interessenskonflikte mit“, sagt der CDU-undestagsabgeordnete Olav Gutting: „Das ist zu tolerieren und die Aufregung ist völlig unangebracht.“
Den Vorwurf zugespitzt auf den Punkt bringt dagegen Jan van Aken: „Weimer verdient als Mitglied der Bundesregierung offenbar Geld mit dem Verkaufen von Treffen mit Politikern“, sagte der Parteichef der Linken dem Tagesspiegel. „Das ist moralisch so was von verkommen, der hat in keiner Regierung was verloren.“
Kein Geschäftsführer, aber Eigentümer
Worum geht es genau? Schon nach Bekanntwerden der Personalie Ende April wurden Zweifel laut, ob denn ausgerechnet ein für Kultur- und Medienpolitik zuständiger Staatsminister selbst die Geschicke eines Medienunternehmens lenken könne. Da auch Paragraf 5 des Bundesministergesetzes nebenher die Ausübung eines anderen Berufes oder die Tätigkeit in einem Vorstand untersagt, gab Weimer mit Amtsantritt die Geschäftsführung seiner Weimar Media Group ab.
Was er nicht aufgab, waren seine Anteile am Unternehmen, weil das gesetzlich auch nicht vorgeschrieben ist. Wie seine Frau Christiane Goetz-Weimer, hält auch er 50 Prozent am Unternehmen, dem Ehepaar gehört es zusammen also ganz.
Es richtet zudem am Tegernsee den sogenannten Ludwig-Erhard-Gipfel aus, ein Treffen hochrangiger Politik- und Wirtschaftsvertreter, das CSU-Chef und Schirmherr Markus Söder schon als „deutsches Davos“ bezeichnet hat. Zur nächsten Ausgabe Ende April sind schon Forschungsministerin Dorothee Bär, Landwirtschaftsministerin Alois Rainer (beide CSU) und Kanzleramtschef Thorsten Frei als Redner angekündigt. Wer drei Tage lang dabei sein will, muss für das einfachste Ticket bereits 3000 Euro bezahlen.
Stolze 80.000 Euro kostet die Business-to-Business-Kooperation namens „Mont Blanc“. Das garantiert laut einer Werbebroschüre die gute Sichtbarkeit des Firmenlogos, der betreffende CEO darf an einer Podiumsdiskussion teilnehmen und auch eine besondere Abendveranstaltung besuchen, die „Executive Night“. Über so etwas mag man sich wundern, juristisch zu beanstanden ist es nicht.
Der Bundesminister wird nicht an der ,Executive Night’ teilnehmen.
Ein Sprecher von Agrarminister Alois Rainer
Wirklich problematisch wäre, wenn es denn stimmen würde, dass bei diesen Abendessen exklusiver Zugang zu Weimers Kabinettskollegen feilgeboten würde. In den Verkaufsunterlagen ist von „Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger“ die Rede. Das Netzportal „Apollo“ berichtete zu Beginn der Woche unter Verweis auf eine E-Mail aus der Weimer Media Group, dass an der Executive Night „auch die Minister teilnehmen werden“.
Die dementieren am Mittwoch eine abendliche Teilnahme. Ein Sprecher von Agrarminister Rainer bezeichnete den Erhard-Gipfel als „seit Jahren etabliertes Format, an dem regelmäßig Persönlichkeiten aus der Politik teilnehmen“. Nach derzeitigem Stand sei eine Rede geplant, selbstverständlich erhalte er keine Vergütung: „Der Bundesminister wird nicht an der „Executive Night“ teilnehmen.“ Fast wortgleich lautet die Antwort der Sprecherin von Ministerin Bär.
Andrea Nahles wiederum, die ehemalige SPD-Vorsitzende und heutige Chefin der Bundesagentur für Arbeit, macht die Einhaltung ihrer Zusage von Anfang Oktober – auch hier ohne Abendessen – davon abhängig, was bei einer von Schirmherr Söder angekündigten Prüfung der Vorwürfe herauskommt. „Abhängig von dem Ausgang des von der bayerischen Staatsregierung eingeleiteten Compliance-Verfahrens“, teilt die Bundesagentur dem Tagesspiegel auf Anfrage mit, „werden wir die Teilnahme von Andrea Nahles bewerten.“
Was hat Söder mit all dem zu tun?
In der „Süddeutschen Zeitung“ hatte die Weimer Media Group bestritten, dass es eine solche E-Mail bezüglich des exklusiven Abendessens gab. Die Eheleute Weimer wiederum ließen am Mittwoch über ihren Anwalt ausrichten, dass der Staatsminister mit Amtsantritt „jegliche operative Funktion“ in seiner Firma verloren habe. „Weimer ist mithin an keinerlei Entscheidungsprozessen und/oder der Durchführung von Veranstaltungen durch das Unternehmen mehr beteiligt.“
Im Umfeld Weimers wird darauf hingewiesen, dass alle bisherigen elf „Tegernsee Summits“ prominent besetzt waren. Eine Anwerbung von Kolleginnen und Kollegen am Kabinettstisch habe es weder gebraucht noch gegeben.
In der CDU ist die mögliche Affäre des Merz-Vertrauten bisher noch nicht Gegenstand von Sitzungen oder Sprachregelungen gewesen. Wer sich herumfragt, bekommt gelegentlich die Sorge zu hören, dass Weimer tatsächlich das erste Kabinettsmitglied werden könnte, das gehen muss. Verbreiteter ist die Sichtweise, dass Weimer übel mitgespielt wird – von verschiedenen Seiten.
„Mit den Änderungen im kulturpolitischen Bereich tritt Weimer natürlich einigen im linken Milieu auf die Füße“, sagt der CDU-Abgeordnete Gutting: „Da ist es kein Wunder, dass man versucht, Vorwürfe gegen ihn zu spielen.“ Weimer selbst hatte in der „FAZ“ die Vorwürfe als „Lüge“ bezeichnet und eine rechte Kampagne gesehen. Von „rechtspopulistischen Medien“ war in der Stellungnahme des Anwalts in Bezug auf das Portal „Apollo“ die Rede.
Als Hintergrund wird in der CDU einerseits gesehen, dass sich Weimer für eine stärkere Regulierung, nicht zuletzt finanzieller Art, von digitalen Plattformen stark macht. Ebenso solle aber auch ein konservatives Aushängeschild der Union sowie Weimers Freund Merz getroffen werden, heißt es aus der Partei. „Man schlägt den Sack und meint den Esel“, sagt ein Mitglied der Bundestagsfraktion.
Das gilt nach Ansicht einiger Christdemokraten auch für das Vorgehen Söders. „In der CDU waren viele erstaunt, dass er die Vorwürfe mit seiner Untersuchung geadelt und den Anschein der Seriosität gegeben hat“, heißt es in Parteikreisen. Ziel sei, wie schon beim Deutschlandtag der Jungen Union am Wochenende, der politisch in schweres Fahrwasser gekommene Kanzler gewesen.
Aufklärung fordert die Opposition trotzdem. Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Misbah Khan, sagte dem Tagesspiegel: „Trotz Rückzug aus der Geschäftsführung hält Weimer weiterhin erhebliche Unternehmensanteile, die er nicht von Beginn an proaktiv transparent offengelegt hat.“ Er müsse daher „vollständige Klarheit über mögliche Verbindungen zwischen der Weimer Media Group und staatlichen Stellen schaffen und darlegen, wie Interessenkonflikte bei medienpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen werden“.
In der SPD reagierte man am Mittwoch bisher zurückhaltend auf die Vorwürfe. Der kulturpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Martin Rabanus, wollte auf Nachfrage keine Stellung dazu beziehen. Lediglich der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner forderte Aufklärung. „Für Herrn Weimer gilt: Als Regierungsmitglied hat er besondere Verantwortung dafür, dass gar nicht erst der Eindruck einer Käuflichkeit oder Vorteilsnahme entsteht“, sagte er dem Portal „T-Online“.
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