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Nancy Faeser übernahm im Dezember 2021 die Leitung des  Bundesinnenministeriums.

© dpa/Jens Kalaene

Versuchte Wahlmanipulation durch Bot-Netzwerk: Ministerin Faeser zeigt kein Interesse an Aufklärung

Tausende Bots versuchten im Februar, Einfluss auf den Bundestagswahlkampf zu nehmen. Doch dem Innenministerium ist dieser Fall „keine nähere Analyse“ wert.

Stand:

Ein Netzwerk aus mehreren Tausend Bots versuchte im Februar, Einfluss auf den Bundestagswahlkampf zu nehmen – und machte massiv Werbung für die AfD. Doch aus Sicht des Bundesinnenministeriums (BMI) ist dieser Fall „keine nähere Analyse“ wert.

Dies erklärt das Ministerium wörtlich auf Anfrage des stellvertretenden Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz.

Wie der Tagesspiegel kurz vor der Bundestagswahl berichtet hatte, verbreitete ein Netzwerk aus 2500 Bots beziehungsweise sogenannten „inauthentischen Accounts“ direkte Wahlaufrufe für die AfD und Lob für Alice Weidel, aber auch Hetze gegen demokratische Parteien.

Dieses Netzwerk war zum Zeitpunkt des Berichts bereits monatelang aktiv und hatte im vergangenen Jahr schon versucht, aggressiv auf den Brandenburger Landtagswahlkampf Einfluss zu nehmen. Über seine Entdeckung durch Datenanalysten des Rostocker Unternehmens Somtxt hatte 2024 der NDR berichtet. Das BMI interessierte sich damals nicht für den Fall: Weder das Ministerium noch eine seiner nachgeordneten Behörden nahmen Kontakt zu Somtxt auf und baten etwa um Einsicht in die Liste der 2500 Bot-Accounts.

Das BMI will nicht sagen, seit wann es vom Bot-Netzwerk wusste

Die explizite Anfrage des Grünen-Fraktionsvizes von Notz, seit wann das BMI von der Existenz des betreffenden Bot-Netzwerks wisse, beantwortet das Ministerium nicht. Stattdessen schildert es ausführlich, weshalb dieses Netzwerk nach eigener Einschätzung gar keiner näheren Analyse bedürfe. Als Argument wird etwa die vermeintlich geringe Reichweite der Accounts genannt.

Bemerkenswert an dieser Argumentation ist jedoch, dass das Ministerium derartige Aussagen trifft, obwohl es die eigentliche Sachlage im konkreten Fall überhaupt nicht kennt. Das BMI kann sich nämlich lediglich auf die wenigen Account-Namen beziehen, die in der Medienberichterstattung beispielhaft angeführt und so öffentlich wurden. Die Liste der 2500 Bots hat das Ministerium zu keinem Zeitpunkt angefragt.

Auch die Berichterstattung des Tagesspiegels im Februar nahm das Haus nicht zum Anlass, sich mit dem Fall eingehender zu beschäftigen. Hier verblüfft erneut die Begründung: Für eine eigene Auseinandersetzung mit dem Thema hätten dem BMI Informationen gefehlt – schließlich seien die Schilderungen der Medien „unvollständig“ beziehungsweise „unzureichend“ gewesen, schreibt das Haus.

Scharfe Kritik an dieser Einstellung kommt von Konstantin von Notz, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist und sich seit Jahren mit der gezielten russischen Einflussnahme auf demokratische Willensbildungsprozesse beschäftigt. „Die Antworten der Bundesregierung auf unsere Fragen bezüglich des enttarnten russischen Bot-Netzwerks haben uns nachhaltig irritiert“, erklärt von Notz gegenüber dem Tagesspiegel. Diese Antworten zeigten leider „einmal mehr sehr deutlich, dass es bei den Verantwortlichen an der Spitze des BMI offenbar noch immer keinen ausreichenden politischen Willen gibt, sich endlich angemessen mit der Thematik zu beschäftigen.“

Ministerium räumt russische Manipulationsversuche ein

Trotz der zahlreichen Hinweise auf stattgefundene Manipulationen während des Bundestagswahlkampfs mache das Ministerium noch immer „unmissverständlich deutlich, dass man Hinweisen nicht weiter nachgehen will und auch nicht in Kontakt mit den Betreibern der Plattformen getreten ist, um entsprechende Netzwerke zu bekämpfen.“ Von Notz fordert: „Dieses Desinteresse und die seit Jahren anhaltende Lethargie, sich angemessen mit den sehr ernsten sicherheitspolitischen Problemen auseinanderzusetzen, muss endlich ein Ende haben.“

Dass es russische Manipulationsversuche gab, räumt das BMI in seiner Antwort selbst ein. In dem Schreiben heißt es: „Russland führte mehrere verdeckte Einflussoperationen und Kampagnen im Informationsraum durch, um die Wahl mit klandestinen Mitteln zu seinen Gunsten zu beeinflussen.“ In der Regel hätten diese Versuche „relativ geringe Reichweiten“ gehabt. „Allerdings konnten auch Einzelfälle mit erheblicher Reichweite festgestellt werden“, erklärt das Ministerium. „Diese traten insbesondere kurz vor dem Wahltermin auf und betrafen Manipulationsvorwürfe bezüglich des Wahlprozesses und seiner Rechtmäßigkeit.“

Konstantin von Notz kritisiert, dass angesichts dieser Tatsachen „eine echte Strategie der Bundesregierung gegen derartige Einflussnahmen, die längst zu einer echten Bedrohung für unsere Demokratie geworden sind, bis heute nicht verabschiedet wurde.“ Seine Partei habe eine derartige, unter den einzelnen Ressorts der Bundesregierung abgestimmte Strategie gegen Desinformation immer wieder eingefordert. Das federführende Bundesinnenministerium habe die Strategie vielfach angekündigt, jedoch mehrfach verschoben. „Das ist ein massives sicherheitspolitisches Versäumnis“, sagt von Notz.

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