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Sandra Ciesek, Leiterin der Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt

© IMAGO/IPON

Sorge um die Älteren: Virologin Ciesek warnt vor Corona-„Gewohnheitseffekt“

Virologin Sandra Ciesek bereiten der Anstieg von Corona-Neuinfektionen und der Belegung auf Intensivstationen Sorge. Die Lage sollte nicht unterschätzt werden.

Von Thomas Sabin

Die Virologin Sandra Ciesek warnt davor, die Corona-Lage in Deutschland zu unterschätzen. Die aktuelle Situation sei zwar nicht eins zu eins mit der im Herbst 2020 vergleichbar. Dennoch „sieht man jetzt einen deutlichen Anstieg aller Parameter“, sagt Ciesek, Leiterin der Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt im Podcast „Coronavirus-Update“ von „NDR info“.

Sorge bereitet ihr derzeit, dass „der Anstieg der Neuinfektionen zusammenfällt mit einer sehr hohen Belegung auf Intensivstationen von derzeit ungefähr 1600 Patienten.“

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Ein Trend, der nun schon etwa zwei Wochen lang anhält. Laut den Daten des Robert Koch-Institut (RKI) klettert die Sieben-Tage-Inzidenz unermüdlich weiter. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag am Dienstagvormittag bei 113. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 110,1 gelegen, vor einer Woche bei 75,1. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten binnen eines Tages 10.473 Corona-Neuinfektionen. Dieser Wert lag vor einer Woche bei 6771.

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Genauso stetig steigt die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Corona-Infektion gestorben sind. Die Zahl wuchs um 128 auf 95.245.

Das gleiche Bild beim wohl wichtigsten Parameter, der für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen sorgen könnte: Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner. Am Dienstag lag der Wert bei 2,95. Am Montag bei 2,77. Allerdings: Der bisherige Höchstwert lag um die Weihnachtszeit bei rund 15,5.

Vermehrt Corona-Ausbrüche in Altenpflegeheimen

Die aktuelle Belegung von Betten und der gleichzeitige Anstieg der Neuinfektionen „führen dazu, im Vergleich zum letzten Jahr, dass wir sogar schlechter dastehen“, so Ciesek. Gleichzeitig herrsche Pflegepersonalmangel, der sich weiter verschärft. Das führe dazu, dass vermehrt Betten gesperrt würden.

„Sorge macht auch, dass gerade die Wachstumsrate bei den Älteren zu sehen ist, bei den plus 80 und über 60-Jährigen beispielsweise haben wir je 40 Prozent Zunahme“, sagt die Virologin. Das seien die Patienten, die oft Krankenhausbehandlungen benötigen. „Hinzu kommen vermehrt Ausbrüche in medizinischen Einrichtungen und Altenpflegeheimen.“

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Ciesek habe das Gefühl, dass es trotz der Zahlen „im Moment nicht wirklich jemanden interessiert, weil ein Gewohnheitseffekt eingetreten ist.“ Gehe die Entwicklung so weiter, speziell mit Blick auf die Krankenhaussituation, könne man davon ausgehen, dass die Pandemie wieder zu einer allgemeinen Bedrohung werde und beispielsweise andere nötige Operationen verschoben werden müssten. Ciesek geht davon aus, dass das lokal der Fall sein wird. Außerdem sei vorstellbar, dass es in den Universitätskliniken zu Engpässen kommen könnte.

Impfdurchbrüche dürfe man nicht ignorieren

Auch die steigende Zahl der Impfdurchbrüche sei etwas, „was man nicht ignorieren darf“, so die Expertin. Das betreffe gerade die über 60-Jährigen, die aufgrund der Priorisierung früher geimpft wurden als andere Patienten. „Wir sehen, dass die Durchbruchinfektionen zunehmen. Schwierig wird es dann, wenn noch andere Grunderkrankungen hinzukommen.“

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Gerade jene Gruppen „könnten auf jeden Fall von einer Booster-Impfung profitieren“, sagt Ciesek. Sie schützen sich vor einer Infektion und der Schutz vor einem schweren Verlauf steigt an. Auch jene Menschen, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurden, sollten aus ihrer Sicht „auf jeden Fall“ mit einer zweiten Impfung nachgeimpft werden.

[Lesen Sie hier bei T+: Wer den Booster bekommt - Auffrischungsimpfung gegen steigende Inzidenzen]

Bauschmerzen bereiten der Expertin zudem die 2G und 3G-Regeln. Sie würden vielen eine falsche Sicherheit geben. Auch Geimpfte können infiziert sein und das Virus übertragen. „Es ist mit steigender Inzidenz und mit zunehmendem Abstand der Impfung nicht unwahrscheinlich, dass bei Großveranstaltungen auch Geimpfte dabei sind, die das Virus übertragen können. Wenn dann auch Abstands- und Hygieneregeln nicht mehr eingehalten werden, ist für Ungeimpfte, die nur mit einem negativen Test kommen, eine große Gefahr da, sich zu infizieren und zu erkranken.“

2G-Veranstaltungen seien ebenfalls nicht ungefährlich, da trotz der weniger starken Infektiosität von Geimpften die Möglichkeit bestehe, sich anzustecken. Ihre Sorge: Später besucht man dann die Großeltern oder trifft nach der Veranstaltung auf andere Risikogruppen, steckt sie an und kann schwere Verläufe verursachen, warnt Ciesek. „Je länger die Impfung her ist, desto größer ist das Risiko.“

Um auf Nummer sicher zu gehen plädiert die Virologin dafür, auch Geimpfte in manchen Situationen wieder zu testen. So sollten beispielsweise in Pflege- und Altenheimen wieder kostenfreie Tests für jeden ausliegen. Und es brauche die Booster-Impfung für Ältere. „Ich glaube, da wird im Moment noch zu wenig getan, um Ausbrüche zu verhindern. Gerade da sollten auch Geimpfte getestet werden.“

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