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Ursula von der Leyen während einer Pressekonferenz in der Brüsseler EU-Zentrale.

© dpa/ Virginia Mayo

Mannschaftsaufstellung mit Hindernissen: Von der Leyen muss um ihre Kommission kämpfen

Zwei Personen hat das EU-Parlament im Zuge der Anhörung künftiger Kommissare abgelehnt. Eine Dritte bangt. Eine Bilanz der Machtverhältnisse.

Es war absehbar, dass die Mannschaftsaufstellung für die neue EU-Kommission, die Ursula von der Leyen vor einem Monat vorgestellt hatte, nicht das letzte Wort sein würde. Erstens hat das Europäische Parlament (EP) schon früher sein Mitspracherecht genutzt, um seine Muskeln zu zeigen, und Anwärter in den Anhörungen abgelehnt. Zweitens herrscht 2019 ein besonderer Widerstandsgeist. Schon Leyens Wahl zur Kommissionspräsidentin hat das Parlament gespalten. Die große Koalition der Parteifamilien in der Mitte, auf die sich Kommissionen bislang stützten, bekam Risse. Die Grünen und viele Sozialdemokraten verweigerten ihr die Stimme, was die Christdemokraten erzürnte.

Drittens drängt das EP auf mehr Einfluss, ohne auf großen Widerstand zu stoßen. Eigentlich sollte es nur das Recht haben, die Kommission insgesamt anzunehmen oder abzulehnen, nicht aber einzelne Personen. In der Praxis hat die Drohung, dem ganzen Team die Zustimmung zu verweigern, bereits ausgereicht, um Änderungen zu erzwingen. Jetzt hat das EP erstmals eine kürzlich eingeführte Klausel genutzt, wonach der Rechtsausschuss Anwärter erst gar nicht zur Anhörung zulässt, wenn er schwerwiegende Interessenkonflikte in dem zugedachten Ressort befürchtet. Das traf die für Verkehr nominierte Rumänin Rovana Plumb und den für Erweiterung vorgesehenen Ungarn László Trócsányi.

In Rücksprache mit den nationalen Regierungen, die ihre Bewerber vorschlagen, hatte von der Leyen 26 Anwärter präsentiert. Nach der ersten Anhörungsrunde sind noch 23 1/2 im Rennen. Die Entwicklung zeigt, wie Politik auf EU-Ebene funktioniert und welche Kräfte sie treiben. In der Theorie müsste es einen eindeutigen Katalog geben, was eine Person zum Amt befähigt oder ausschließt. Diese Maßstäbe müssten ohne Ansehen der Person sowie des Landes, aus dem sie kommt, und wer dort regiert, gelten.

Ausgemustert: eine Frau, ein Mann, eine Linke, ein Rechter

In der Praxis spielen Parteizugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht und Geografie jedoch eine Rolle. Ob Links und Rechts, West und Ost, Frau und Mann: Es gilt das Reziprozitätsprinzip. Bringt ihr eine(n) von uns zu Fall, bringen wir eine(n) von euch zu Fall. Umgekehrt segeln Personen durch die Anhörungen, die auf Bedenken stoßen sollten – weil die Zornigen ihr Mütchen schon gekühlt haben und die Mehrheit keinen weiteren Konflikt will.

Ausgemustert wurden Plumb und Trócsányi: eine Frau und ein Mann; sie aus der sozialdemokratischen Parteifamilie, er aus der christdemokratischen. Bei ihr dienten unklare Kredite in Höhe von fast einer Million Euro zur Begründung eines Interessenkonflikts, bei ihm die Tätigkeit als Anwalt. In der Realität gilt sie als korrupt. Ihm schadet, dass er als parteiloser Minister Viktor Orbans umstrittene Justizreform durchgeboxt hat. Die noch amtierende Kommission hatte 2018 ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn eingeleitet.

Auf der Kippe steht die Französin Sylvie Goulard. Die Vertraute Emmanuel Macrons soll das Ressort Binnenmarkt leiten. Das EP bezweifelt nicht ihre fachliche Eignung. Es hat ethische Vorbehalte. Wegen Vorwürfen der Scheinbeschäftigung musste sie als Verteidigungsministerin zurücktreten. Als Europaabgeordnete soll sie einen Mitarbeiter aus Parlamentsmitteln bezahlt haben, den sie für andere Aufgaben einsetzte. Sie musste 45.000 Euro zurückzahlen. Über Jahre bezog sie zudem 10.000 Euro monatlich über den Thinktank des Investors Nicolas Berggruen.

Die Französin bangt, ein Pole und ein Belgier haben sich gerettet

Wo bleibt die Glaubwürdigkeit, wenn das EP Anwärter aus dem Osten der EU wegen Ethikbedenken verhindert und Goulard akzeptiert? Andererseits werden Ethikverstöße in Frankreich härter verfolgt als weiter östlich. Man könnte auch argumentieren, Goulard werde mit Vorwürfen konfrontiert, die man anderswo ignoriert. Sie muss in eine zweite Anhörung. Ob sie die übersteht, ist offen.

Gerettet hat sich der polnische Nationalkonservative Janusz Wojciechowski (Landwirtschaft); ihm wurden falsche Reisekostenabrechnungen zur Last gelegt. Und der belgische Liberale Didier Reynders (Justiz); dem langjährigen Außen- und Finanzministerminister hielt ein Geheimdienstler vor, er sei in zwielichtige Geschäfte in Afrika verwickelt; die Ermittlungen wurden ohne formales Verfahren eingestellt.

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