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Ein Fahnenschwenker, diesmal eher unauffällig.

© Christof Stache / AFP

Von deutscher Gegenwart und Vergangenheit: Wie gefährlich ist die AfD?

Im Kampf gegen rechts braucht es heiße Herzen - vor allem aber kühle Köpfe. Alarmismus darf den „common sense“ nicht verdrängen. Entgegnung auf eine Kritikerin.

Ein langer Brief erreicht mich. Die Autorin wirft mir vor, meiner journalistischen Verantwortung nicht nachzukommen. Als Beleg dient ihr ein Kommentar, in dem ich der AfD zwar Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie und Geschichtsrevisionismus vorwerfe, aber dafür plädiere, mit dem Nazi-Etikett etwas vorsichtig umzugehen. Das wertet die Autorin als fahrlässige Verharmlosung der Partei.

Sie schreibt: „Wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, wie die NSDAP bis 1933 an die Macht kam, nämlich schleichend mit langsam wachsender Macht, und wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, dass sich Nazis vor der Machtergreifung noch halbwegs gemäßigt verhielten und ihr wahres Gesicht erst nach der Machtergreifung zeigten, und dass ja auch mit Strasser in der NSDAP ein gemäßigter Flügel existierte, der mit der Machtergreifung abgeschafft wurde, dann würden auch Sie die Parallelen zur Weimarer Republik erkennen und mehr angebrachte Sorge zeigen.“

Ist die AfD so gefährlich, wie es einst die NSDAP war? Nach Ansicht der Briefschreiberin ist selbst diese Parallelisierung eine Form der Verharmlosung. Denn: „Die NS-Verbrechen werden sich nicht wiederholen, wenn die Rechtsextremisten wieder an die Macht kommen. Sie werden schlimmer, und dieses Mal werden wir die Rechtsextremisten nicht wieder so schnell nach zwölf Jahren los, bei den Möglichkeiten der Überwachungstechnik und der Atomtechnik, auf die eine rechtsextreme Regierung heute zugreifen kann.“

Bedrohlich ist die Lage in den Visegrad-Staaten

Was also passiert, wenn die AfD an die Macht kommt? Das weiß zwar keiner genau, aber es liegen Indizien vor. In einigen westeuropäischen Ländern haben ultrarechte Parteien bereits mitregiert. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wurden dadurch nicht gefährdet. Bedrohlicher ist die Lage in den Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, der Slowakei und der Tschechischen Republik. Alle vier Länder wehren sich gegen eine EU-Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen. Das geht einher mit einer stark völkisch-nationalen Rhetorik sowie einer Feindschaft gegenüber dem Islam. Es mehren sich Angriffe auf eine unabhängige Justiz und auf eine freie Presse.

Das alles sind sehr gute Gründe, die AfD in Deutschland von jeder politischen Verantwortung fernzuhalten. Im Westen des Landes gelingt das ziemlich gut, im Osten muss dieser Konsens gelegentlich neu erarbeitet werden.

Wehret den Anfängen! Das gilt nach wie vor

Aber droht ein Dritter Weltkrieg, angezettelt von deutschen Rechtsextremisten? Droht ein erneuter Vernichtungsfeldzug gegen Juden, Behinderte, Homosexuelle, Ausländer, Zeugen Jehovas? Droht ein neues Auschwitz? Um es stark vereinfacht auszudrücken: Nein, diese Gefahren sind höchstwahrscheinlich gebannt. Zum Glück haben die USA, Russland, Großbritannien und Frankreich heute genügend Atomwaffen, um aggressiven und expansiven deutschen Ambitionen sehr früh und sehr deutlich Paroli zu bieten. Und wer um den kläglichen Zustand der Bundeswehr weiß, ahnt, dass sich auf absehbare Zeit kein deutscher Militarismus entwickeln kann, über den der Rest der Welt nicht schallend lacht. 

Wehret den Anfängen! Das gilt nach wie vor. Die liberalen Demokratien müssen wehrhaft bleiben. Die Menschenverachtung, die Rechtsextreme propagieren, darf sich im öffentlichen Raum nicht weiter ausbreiten. Aber der „common sense“ sollte der zum Teil alarmistischen Grundstimmung nicht geopfert werden. Im Kampf gegen rechts braucht es viele heiße Herzen – vor allem aber viele kühle Köpfe.

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