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Seit Wochen wird über das Rentenpaket gestritten, nun soll darüber abgestimmt werden.

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Vor der Abstimmung im Bundestag: Darum geht es beim Rentenpaket

Seit Wochen wird über das Rentenpaket gestritten, nun soll darüber abgestimmt werden. Alle Details zum Ablauf, den finalen Gesprächen und den möglichen Folgen eines Scheiterns.

Stand:

Lange wurde über das Rentenpaket gestritten und öffentlich diskutiert, an diesem Freitag wird es nun endlich im Bundestag zur finalen Abstimmung stehen. Ab 11:20 Uhr stehen die verschiedenen Gesetzesvorhaben auf der Tagesordnung. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Über was wird abgestimmt?

Formal sind es drei Gesetze, über die der Bundestag in zweiter und dritter Lesung abstimmt. Ein Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten sowie der Aktivrente und dem Betriebsrentenstärkungsgesetz.

Besonders im Fokus war die Festschreibung des Rentenniveaus bis 2031 auf 48 Prozent des Durchschnittseinkommens. Die 2019 eingeführte Haltelinie läuft zum Jahresende aus. Ohne Stabilisierung würden die Renten nicht mehr so stark steigen, weil immer mehr Babyboomer von einzahlenden Beschäftigten zu Rentnerinnen und Rentnern werden. Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion kritisiert, dass das Rentenniveau auch ab 2032 um einen Punkt höher liegen soll – das würde den Staat Milliarden kosten.

Zudem geht es um die Ausweitung der sogenannten Mütterrente: Die Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder werden um sechs Monate verlängert. Künftig werden drei Jahre für alle Kinder anerkannt – unabhängig vom Geburtsjahr. So soll die derzeitige Ungleichbehandlung enden. Kostenpunkt: ab 2027 erst fünf Milliarden, später vier Milliarden Euro jährlich. Vor allem die CSU hatte die Vollendung der Mütterrente betrieben.

CSU-Chef Markus Söder stimmt nicht über das Rentenpaket ab, hat aber intensiv für die Mütterrente III geworben.

© dpa/Fabian Sommer

Nicht auf der Tagesordnung befindet sich die Frühstartrente, ein Projekt der Union, die eine staatliche Altersvorsorge für Kinder ab 6 Jahren vorsieht. Pro Monat sollen für den Zeitraum bis zum 18. Geburtstag 10 Euro in ein privates, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot investiert werden. Die Details sind jedoch noch nicht geklärt.

Und auch der Entschließungsantrag, der im Koalitionsausschuss geeint worden war und die Prüfaufträge für die Rentenkommission umfasst, soll anders als ursprünglich geplant nicht beschlossen werden. Die Ergänzung war als Zugeständnis an die Gegner des Pakets in der Jungen Gruppe der Union gedacht, stieß jedoch in den Details auf Widerspruch bei den Konservativen.

Ist eine kurzfristige Absetzung noch möglich?

Eine Änderung der Tagesordnung ist – mit der Mehrheit der Stimmen im Bundestag – jederzeit möglich. Bei der gescheiterten Richterwahl im Sommer wurde die Wahl der Kandidaten unmittelbar vor der Abstimmung abgesetzt.

Damals gab es jedoch noch am Morgen vor der Abstimmung eine Fraktionssondersitzung von CDU und CSU, wo das Stimmungsbild gegen Frauke Brosius-Gersdorf deutlich wurde. Dieses Mal hat die Fraktion schon am Dienstag einen Stimmungstest gemacht – bei dem rund 20 Abgeordnete gegen das Vorhaben stimmten. Die Fraktionsspitze um Jens Spahn vertraut aber darauf, dass ein Großteil der Abweichler am Freitag doch für das Rentenpaket stimmt.

Wie wurde Druck auf die Abweichler ausgeübt?

Bis Mittwoch um 12 Uhr mussten sich jene melden, die zu diesem Zeitpunkt anders abstimmen wollten als von der Fraktionsspitze vorgeschlagen. Wie viele das waren, wurde selbst unter der Hand nicht kommuniziert. Nur Johannes Winkel als Chef der Jungen Union äußerte sich und will definitiv beim Nein bleiben. Von den 18 Mitgliedern der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion machten bisher auch nur wenige öffentlich, dass sie doch der Koalitionsdisziplin folgen – Daniel Kölbl aus Pinneberg und Carl-Philipp Sassenrath aus Neuss.

In vielen Einzeltreffen, sogenannten „Beichtstuhlgesprächen“, versuchte Unionsfraktionschef Jens Spahn am Mittwoch und Donnerstag auf die verbliebenen „Rentenrebellen“ einzuwirken. Einen Schnappschuss von seiner Unterhaltung mit Winkel veröffentlichte ein Journalist des Portals „Politico“. Ob Spahn tatsächlich drakonische Maßnahmen wie den Verlust aussichtsreicher Listenplätze androhte, ist nicht bekannt. Berichte dazu wurden mit dem Hinweis dementiert, die meisten Unionsabgeordneten seien in ihren Wahlkreisen direkt gewählt.

Tatsächlich beeindruckt aber hat die potenziellen Abweichler die Aussicht, dass sie für das Ende der Regierung in diesen Zeiten verantwortlich wären. „Bei einem Scheitern gäbe es keinen Applaus mehr“, sagte Spahn Teilnehmerkreisen zufolge bereits in der Fraktionssitzung am Dienstag. Aus der Jungen Gruppe, die sich am Donnerstag zu ihrer regulären Sitzung getroffen hat, habe sich dem Vernehmen nach ausreichend viele in die Pflicht nehmen lassen, damit es für eine Mehrheit reicht.

Wer spricht für die Fraktionen?

70 Minuten sind für die Debatte für das Rentenpaket laut Tagesordnung vorgesehen. Vor allem von der Opposition ist mit scharfer Kritik zu rechnen, doch auch aus den Reihen der Union könnte es kritische Töne geben. Denn mit Pascal Reddig wurde nachträglich der Vorsitzende der Jungen Gruppe auf die Rednerliste der Union gesetzt – auf Betreiben Spahns, wie es heißt. Planmäßig sprechen für die Union unter anderem der CDU-Generalsekretär und für das Thema zuständige Fraktionsvize Carsten Linnemann, der sozialpolitische Sprecher Marc Biadacz und der Chef der Arbeitnehmergruppe Stefan Nacke.

Für die SPD werden Fraktionsvize Dagmar Schmidt sowie die Fachpolitiker Bernd Rützel und Jens Peick sprechen. Außerdem soll die Finanzpolitikerin Frauke Heiligenstadt eine Rede halten. Für die Grünen wird Fraktionsvize Andreas Audretsch im Plenum sprechen, zudem der Rentenexperte Armin Grau. Bei den Linken wird Fraktionschefin Heidi Reichinnek am Rednerpult erwartet, zudem will die rentenpolitische Sprecherin der Fraktion, Sarah Vollath, sprechen. Bei der AfD stand die Rednerliste bis Redaktionsschluss nicht fest.

Wie kann man die Debatte verfolgen?

Der Bundestag streamt auf seiner Homepage jede Bundestagsdebatte, auch bei YouTube können die Sitzungen verfolgt werden. Eine kommentierte Fassung wird der TV-Sender Phoenix anbieten. Dort ist ab 8:30 Uhr eine Livesendung aus dem Bundestag vorgesehen.

Was ist die Kanzlermehrheit?

Bei der namentlichen Abstimmung sind am Freitag drei Arten von Mehrheiten möglich. Juristisch erforderlich ist eine einfache Mehrheit. Im Extremfall könnte das beispielsweise bedeuten, fünf Ja-Stimmen reichen, weil es nur vier Nein-Stimmen bei 400 Enthaltungen gibt.

Option zwei wäre eine eigene Mehrheit der schwarz-roten Koalition. Dabei würden Union und SPD mehr Ja-Stimmen aus den eigenen Reihen mobilisieren, als alle abgegebenen Nein-Stimmen und Enthaltungen zusammen.

Doch erklärtes Ziel der Regierung ist am Freitag die sogenannte Kanzlermehrheit. Wie bei der Wahl des Kanzlers muss dafür die „Mehrheit der Mitglieder des Bundestags“ für das Vorhaben stimmen. Da der Bundestag momentan 630 Abgeordnete fasst, wären das 316 Stimmen. Union (208 Abgeordnete) und SPD (120 Abgeordnete) haben zwölf Stimmen mehr als die Kanzlermehrheit. Im Maximalfall kann sich die Koalition also genau dieses Dutzend Abweichler aus den eigenen Reihen leisten.

Was passiert, wenn Schwarz-Rot die Kanzlermehrheit verpasst?

In den Reihen von Union und SPD geben sich alle Beteiligten optimistisch, dass nach langer Überzeugungsarbeit die Kanzlermehrheit steht – dafür wurden auch alle Abgeordneten extra nach Berlin zitiert. Mit einem Scheitern rechnet niemand, einen Plan B gebe es nicht, heißt es.

Durch die angekündigte Enthaltung der Linken gilt eine Verabschiedung des Rentenpakets inzwischen als sicher. Doch sollte der Kanzler seine eigenen Leute nicht mehr hinter sich wissen, dürfte die Regierung politisch am Ende sein. Genau mit diesem Szenario habenKanzler Friedrich Merz und Spahn die Rentenrebellen zuletzt eingeschüchtert. Zur Tagesordnung kann die Koalition im Falle eines Misserfolgs jedenfalls nicht zurückkehren.

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